Kapitel Zwei: Live Cinema ist eine neue mediale Sprache aus den Bausteinen vorhandener Konzepte

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''Traditional storytelling gives you the means to order your material -- not strict rules, but principles of organization that are akin to tonality in music. If you want to put your ideas up on their feet, casting them in terms of a traditional story will usually prove to be a much more direct activity than casting them in modernist-poetic terms. And if you like the relating-to-an-audience side of art and entertainment, traditional storytelling is a boon; it equips you with a whole language of sympathy, point of view, climaxes, suspense, surprises, revelations, pacing, setups and payoffs. Take the time to learn the language, and you'll be (more or less) able to say what you have to say, in a way that an audience might very well enjoy. That's nice.'' Michael Blowhards Blog ''Traditional storytelling gives you the means to order your material -- not strict rules, but principles of organization that are akin to tonality in music. If you want to put your ideas up on their feet, casting them in terms of a traditional story will usually prove to be a much more direct activity than casting them in modernist-poetic terms. And if you like the relating-to-an-audience side of art and entertainment, traditional storytelling is a boon; it equips you with a whole language of sympathy, point of view, climaxes, suspense, surprises, revelations, pacing, setups and payoffs. Take the time to learn the language, and you'll be (more or less) able to say what you have to say, in a way that an audience might very well enjoy. That's nice.'' Michael Blowhards Blog
-Seine Sichtweise leuchtet im ersten Moment sicherlich ein - vordefinierte lineare Geschichten erlauben eine bessere Abstimmung zwischen Charakteren, Emotionen, Geschwindigkeit, Identifikation etc. Sein Vergleich mit der dem Notensystem der Musik zeigt aber auch genau den Schwachpunkt in seiner Argumentation. Durch den Jazz bringt gerade die Musik eine lange Historie der spontanen Interpretation und Nichtlinearität mit sich, aber auf Emotionen, Höhepunkte und Sympathie wird bei dieser Art der Musik nicht verzichtet. Neuere Musikrichtungen wie Brokn Beatz und modernere Varianten der elektronischen Musik im Generellen strukturieren sich komplett ohne Notation meist live und begeistern viele Zuhörer. +Seine Sichtweise leuchtet im ersten Moment sicherlich ein - vordefinierte lineare Geschichten erlauben eine bessere Abstimmung zwischen Charakteren, Emotionen, Geschwindigkeit, Identifikation etc. Sein Vergleich '''mit der dem Notensystem''' der Musik zeigt aber auch genau den Schwachpunkt in seiner Argumentation. Durch den Jazz bringt gerade die Musik eine lange Historie der spontanen Interpretation und Nichtlinearität mit sich, aber auf Emotionen, Höhepunkte und Sympathie wird bei dieser Art der Musik nicht verzichtet. Neuere Musikrichtungen wie Brokn Beatz und modernere Varianten der elektronischen Musik im Generellen strukturieren sich komplett ohne Notation meist live und begeistern viele Zuhörer.
Die einzelnen Aspekte, die Herr Blowhard der linearen Erzählweise zuschreibt, haben nicht unbedingt etwas mit der Linearität der Geschichte zu tun. Die einzelne Elemente und Wirkungen können auch relativ zeitunabhängig erzeugt werden und haben zum Teil auch nicht unbedingt einen Bezug zur Geschichte. Die Sympathie wird von den Charakteren erzeugt - eine zeitunabhängige Variable; die Sichtweise durch Kameraeinstellungen und einzelne Handlungen - ebenfalls in der gesammten Struktur zeitunabhängig. Die Geschwindigkeit wird beim Live Cinema sowieso weitgehend durch die Musik diktiert. Überraschungen und Enthüllungen können ebenfalls in nicht-linearem Kontext entstehen - ein Konzept, das bei Computerspielen hohe Relevanz hat (Der Schlüssel passt gar nicht in diese Truhe. Das Monster ist gar nicht mein Feind. Die Prinzessin ist ja doch sympathisch.). Es bleiben also nur zwei Merkmale der linearen Geschichte übrig, die auf den ersten Blick in ein improvisiertes, nichtlineares Konzept nur schwer integriert werden können - Spannung und Klimax. Dies ist beim nichtlinearen Film mit vordefinierter Handlung sicher noch zu lösen, kommen aber Aspekte der freien Interpretation hinzu, kann man keinen definierten Klimax Punkt ausmachen und der dazugehörige Spannungsbogen lässt sich nicht aufbauen. Die einzelnen Aspekte, die Herr Blowhard der linearen Erzählweise zuschreibt, haben nicht unbedingt etwas mit der Linearität der Geschichte zu tun. Die einzelne Elemente und Wirkungen können auch relativ zeitunabhängig erzeugt werden und haben zum Teil auch nicht unbedingt einen Bezug zur Geschichte. Die Sympathie wird von den Charakteren erzeugt - eine zeitunabhängige Variable; die Sichtweise durch Kameraeinstellungen und einzelne Handlungen - ebenfalls in der gesammten Struktur zeitunabhängig. Die Geschwindigkeit wird beim Live Cinema sowieso weitgehend durch die Musik diktiert. Überraschungen und Enthüllungen können ebenfalls in nicht-linearem Kontext entstehen - ein Konzept, das bei Computerspielen hohe Relevanz hat (Der Schlüssel passt gar nicht in diese Truhe. Das Monster ist gar nicht mein Feind. Die Prinzessin ist ja doch sympathisch.). Es bleiben also nur zwei Merkmale der linearen Geschichte übrig, die auf den ersten Blick in ein improvisiertes, nichtlineares Konzept nur schwer integriert werden können - Spannung und Klimax. Dies ist beim nichtlinearen Film mit vordefinierter Handlung sicher noch zu lösen, kommen aber Aspekte der freien Interpretation hinzu, kann man keinen definierten Klimax Punkt ausmachen und der dazugehörige Spannungsbogen lässt sich nicht aufbauen.

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Ein Medium und eine Kunstform brauchen eine entwickelte, kommunizierbare Sprache mit einer leicht verständlichen Syntax, um vom Publikum erkannt und verstanden, als auch von einer größeren Anzahl von Künstlern verwendet zu werden. Live Cinema hat den Vorteil, sich aus Teilaspekten schon vorhandener medialer Sprachen bedienen zu können und diese zu einer neuen Einheit zu verbinden. Dabei kommt die Inspiration aus dem klassischen Kinofilm, dem Stummfilm, dem synästhetischen Bewegtbild, dem interaktiven Film und den Computerspielen, aber auch ein wenig aus dem Musikvideo und dem Kurzfilm. All diese Medienformen besitzen bestimmte Aspekte, die im Kontext einer Live Cinema Sprache logisch erscheinen und zusammengenommen eine neue Definition bieten. In das Zentrum der Betrachtung rücken dabei folgende Elemente: die Geschichte, die Subjekte und Obkjekte, die Zeit, die Komposition und die Emotion. Zusammengenommen sollten sie im Idealfall dem Betrachter ein fesselndes und mitreißendes, sich vor ihren Augen manifestierendes, dem Ambiente angemessenes, emotionales und sozial relevantes Spektakel bieten. Dadurch, dass alle Ursprünge dieser Kunstform einige oder alle dieser Faktoren bereits beinhalten, kann davon ausgegangen werden, dass Live Cinema diesem Anspruch gerecht werden kann. So ist der Kinofilm zum Beispiel voller Emotionen, das VJing manifestiert sich live und ist der Umgebung angepasst - erzeugt also Energie, Computerspiele definieren Charaktere ohne an Zeit gebunden zu sein. Es gibt jedoch einige Überlappungen zwischen den Elementen und Medien. Diese erfordern eine sensible Gradwanderung, um die Qualität, die im Urmedium bereits besteht, nicht zu verwässern. In neuem Kontext zusammen gesetzt verstärken sie sich jedoch gegenseitig.


Contents

Eine Live Cinema Geschichte sollte eine simple Rahmenhandlungen mit inhaltlicher Relevanz haben und so modular wie möglich und linear wie nötig sein

Expanded Cinema Page 81: Time, said St. Augustine, is a threefold present: the present as we experience it; the past as present memory; the future as present expectation. Hopi Indians, who thought of themselves as caretakers of the planet, used only the present tense in their language: past was indicated as "present manifested," and the future was signified by "present manifesting.”6 Until approximately 800 B.C., few cultures thought in terms of past or future: all experience was synthesized in the present. It seems that practically everyone but contemporary man has intuitively understood the space-time continuum.

Der Zeit - und damit der Geschichte in der Zeit -fällt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Sie bietet die Schnittstelle zwischen dem klassischen Kino und einem spontaneren Live Cinema. Dabei ist, wie im ersten Kapitel angemerkt, bereits zu beobachten, dass der klassische Kinofilm das Thema Zeit selbst nicht mehr so linear sieht wie noch in den Anfängen des Filmes, wo noch eine ungeschnittene Rolle Film den Einstieg in eine vom Bewegtbild dominierten Gesellschaft lieferte. Filme wie Pulp Fiction (grafik von björn) setzen sich von einer rein linearen Erzählweise ab. Dies nahm seinen Anfang in den 1970er Jahren, als Filme mit einer einmaligen Verzweigung - der sogenannten "Zwei Ziele, Neun Akte" Praxis - den rein linearen Film ablösten. Der Hauptgrund für diesen Wechsel ist interessanterweise vor allem mit den veränderten Sehgewohnheiten der Betrachter in Verbindung zu bringen, die sich von "Ein Ziel" also rein linear strukturierten Geschichten geistig unterfordert fühlen.

"While single-goal, or linear, stories used to suffice, today's film consumers don't find them stimulating enough. They find these stories predictable and flat. In today's market, they are a bad investment. " "The Two Goal Structure" by Eric Siegel

Die zeitliche Verzweigung der Geschichte hat also den Film interessanter gemacht und es scheint, dass man dies noch wesentlich weiter treiben kann und muss, da eine neue Generation von Medienkonsumenten auch von der etwas komplexeren "Zwei Ziele" Struktur gelangweilt ist und sie durchschaut. Pulp Fiction, Lola Rennt, Domina, L.A. Crash - alles Filme mit einer jüngeren Zielgruppe - lösen Filmzeit bereits in scheinbar unabhängige Handlungsstränge auf, die nur durch einen übergeordneten Rahmen zusammengehalten werden.

Der Filmkritiker Michael Blowhard philosophiert in seinem Blog jedoch darüber, ob die neu gewonnene Freiheit von der Zeit wirklich ein Segen ist:

Traditional storytelling gives you the means to order your material -- not strict rules, but principles of organization that are akin to tonality in music. If you want to put your ideas up on their feet, casting them in terms of a traditional story will usually prove to be a much more direct activity than casting them in modernist-poetic terms. And if you like the relating-to-an-audience side of art and entertainment, traditional storytelling is a boon; it equips you with a whole language of sympathy, point of view, climaxes, suspense, surprises, revelations, pacing, setups and payoffs. Take the time to learn the language, and you'll be (more or less) able to say what you have to say, in a way that an audience might very well enjoy. That's nice. Michael Blowhards Blog

Seine Sichtweise leuchtet im ersten Moment sicherlich ein - vordefinierte lineare Geschichten erlauben eine bessere Abstimmung zwischen Charakteren, Emotionen, Geschwindigkeit, Identifikation etc. Sein Vergleich mit der dem Notensystem der Musik zeigt aber auch genau den Schwachpunkt in seiner Argumentation. Durch den Jazz bringt gerade die Musik eine lange Historie der spontanen Interpretation und Nichtlinearität mit sich, aber auf Emotionen, Höhepunkte und Sympathie wird bei dieser Art der Musik nicht verzichtet. Neuere Musikrichtungen wie Brokn Beatz und modernere Varianten der elektronischen Musik im Generellen strukturieren sich komplett ohne Notation meist live und begeistern viele Zuhörer. Die einzelnen Aspekte, die Herr Blowhard der linearen Erzählweise zuschreibt, haben nicht unbedingt etwas mit der Linearität der Geschichte zu tun. Die einzelne Elemente und Wirkungen können auch relativ zeitunabhängig erzeugt werden und haben zum Teil auch nicht unbedingt einen Bezug zur Geschichte. Die Sympathie wird von den Charakteren erzeugt - eine zeitunabhängige Variable; die Sichtweise durch Kameraeinstellungen und einzelne Handlungen - ebenfalls in der gesammten Struktur zeitunabhängig. Die Geschwindigkeit wird beim Live Cinema sowieso weitgehend durch die Musik diktiert. Überraschungen und Enthüllungen können ebenfalls in nicht-linearem Kontext entstehen - ein Konzept, das bei Computerspielen hohe Relevanz hat (Der Schlüssel passt gar nicht in diese Truhe. Das Monster ist gar nicht mein Feind. Die Prinzessin ist ja doch sympathisch.). Es bleiben also nur zwei Merkmale der linearen Geschichte übrig, die auf den ersten Blick in ein improvisiertes, nichtlineares Konzept nur schwer integriert werden können - Spannung und Klimax. Dies ist beim nichtlinearen Film mit vordefinierter Handlung sicher noch zu lösen, kommen aber Aspekte der freien Interpretation hinzu, kann man keinen definierten Klimax Punkt ausmachen und der dazugehörige Spannungsbogen lässt sich nicht aufbauen.

VJBOOK p16: The sheer endurance of iterating through the possibilities and constructing a meaningful mix on the fly is one standard which VJs are held up to.

Live Cinema sollte durch Spontanität und Improvisation gekennzeichnet sein, hat aber im Gegensatz zum VJing nicht den Nachteil das der auftretende Künstler alles improvisieren muss, da ein Live Cinema Stück in Zusammenarbeit mit den Musikern vorbereitet wird. Die Improvisation ergibt sich aus der Umgebung des Auftritts und dem Feedback der Zuschauer. Dies ermöglicht es eine gewisse Grundstruktur bereits in der Musik anzulegen die auch wieder einen Klimax und Spannung beinhalten könnte.

Im klassischen linearen Drama und allen seinen modernen Auswüchsen sind Geschichten meist ähnlich strukturiert. Es gibt Protagonisten um die sich die Geschichte dreht. Diese haben meist eine Mission und ein Ziel welches sie im Verlaufe der Geschichte durch verschiedene Handlungen erreichen (können), dabei treten Konflikte auf die Überwunden werden müssen welche wiederum Spannungen erzeugen die in einem Klimax enden. Eine Auflösung entlässt den Konsumenten aus der Geschichte. Der Zuschauer wird sich mit einem Charakter identifizieren, durch die Spannung bei Laune gehalten, beim Klimax ein Übermaß an Gefühlen ausschütten und durch die Auflösung der Geschichte zur Wiederkehr eingeladen

Soweit die gängige Praxis. Wie weiter oben schon festgestellt wurde, scheint diese Form der Geschichtenerzählung nicht zeitgemäß. Auch wenn beim Live Cinema nicht unbedingt der Zwang nach einer neuen Erzählweise existiert, so erlaubt das Konzept gewisse Freiheiten. Um sich auf der einen Seite von älteren Konzepten zu lösen und auf der anderen Seite dem Künstler einen Freiraum während der Vorstellung zu gewähren sollte eine Geschichte hier wesentlich modularer und nichtlinearer aufgebaut werden.

Wenn man den Blick auf Rollenspiele am Computer oder Konzeptionen über interaktive Filme wirft so stellt man schnell fest, das eine Geschichte auch ausserhalb der klassischen Form erzählt werden kann. Dort existiert meist nur eine Rahmenhandlung, der Inhalt füllt nach einem zeitlich flexiblen Muster (Es ist egal ob man erst die Axt kauft dann der Frau auf Wiedersehen sagt und dann den Baum fällt, oder ob man der Frau erst auf Wiedersehen sagt, dann die Axt kauft und dann den Baum fällt). Trotzdem ist der Spieler mitgerissen, gespannt und kann sich identifizieren. Wie ein solches interaktives Modell aussehen kann verrät eine Studie der Universät von Teesside, Großbritannien . Hier wird anhand eines "Hirarchical Task Network" (HTN Hier Graphik Einfügen) das interaktive Potential einer Geschichte visualisiert. Das Beispiel der Universität scheint simpel genug. Ein Junge will ein Mädchen nach fragen ob sie mit ihm ausgeht - das Ziel ist es also das Mädchen erfolgreich nach einem Date zu fragen. Der Protagonist ist der Junge den man selber steuern kann. Der Junge muss aber vorher einige Dinge über das Mädchen herausfinden, damit er sich beim fragen nicht blamiert. Dazu stehen ihm mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die alle aus dem einen oder anderen Grund fehl schlagen oder gelingen können. Nur wenn er einen Strang von Lösungen erfolgreich ausführt erreicht er sein heiß ersehntes Ziel. Ursachen erzeugen also bestimmte Wirkungen die wiederum Ursachen für die weitere Entwicklung der Geschichte sind. Aus dem Graphen wird schnell ersichtlich, daß solch eine interaktive Story mit vielen Ungewissheiten unendlich komplex werden kann und im Falle von Live Cinema - welches auf einen produktions- und zeittechnisch begrenzten Pool von vorher produzierten Material zurückgreift- sicherlich vereinfacht werden muss. Jedoch kann der HTN Graph eine Visualisationsgrundlage für eine simple modulare Geschichte bieten und dem Künstler den nötigen Überblick verschaffen. Was ausserdem durch diesen Graphen sichtbar wird, ist wie jede Geschichte funktioniert und wie ausstauschbar doch einzelne Sequenzen in Zeit und Inhalt sein können ohne den Fluß der gesammten Geschichte zu verändern. Es ist am Ende der Weg zum Ziel der die Spannung in einer Geschichte ausmacht - der Weg selbst ist in Teilen austauschbar und veränderbar. Die Zwischenziele - also die Situationen die einem Protagonisten auf dem Weg begegnen - erzeugen den Reiz und ein Verlangen zum weiterschauen. Diese Situationen können nun im klassischen Sinne von Konfrontation geprägt sein um ein Verlangen nach mehr beim Zuschauer zu erreichen. Dieses Verlangen kann aber auch, wie der Reiz den ein klassisches Spiel ausstrahlt, von einem zu lösenden Puzzle getrieben werden. Der Protagonist löst also eine Reihe von kniffligen Aufgaben, die aber in sich keine Konflikte mit anderen Personen oder Objekten beinhalten. Erwähnt werden muss noch die Möglichkeit das verschiedene Wege auch zu verschiedenen Enden führen können und damit das Konzept von Aufgabe -> Weg -> Ziel über Aufgabe -> mehrere Wege -> Ziel auf Aufgabe -> mehrere Wege -> mehrere Ziele erweitert werden kann. Auch hier ist HTN Graph für den Überblick nützlich.

Die Komplexität zu reduzieren ist sowohl für den ausführenden Künstler als auch für das Publikum ein wichtiger Aspekt im Anfangsstadium von Live Cinema. Die Zuschauer müssen lernen eine neue Syntax zu lesen, für den Künstler muss das Projekt verwaltbar bleiben. Wie bereits erwähnt ist hierzu zum einen eine ausgewogene Anzahl der möglichen Wege innerhalb der Geschichte erforderlich. Zum anderen muß die Story selbst - also die Aufgabe die der Protagonist löst - nicht übermäßig komplex sein. Im Gegenteil hat eine simple Geschichte sogar vielvältige Vorteile. Im Text "Five Parameters for Story Design in the Short Fiction Film" zeigt Richard Raskin auf, was eine gute Balance der Einfachheit gegenüber der Tiefe im Kurzfilm ausmacht, eine Theorie die auch auf andere Medien übertragen werden kann.

in balance:

  • story is simple and clear, allowing the viewer time and space to reflect upon and participate in the construction of the story
  • depth as inner space within a character
  • temporal depth
  • depth as depth of feeling within the viewer
  • depth as underlying meaning or openness to interpretation

out of balance:

  • story too complicated or confusing
  • viewer reduced to spectator rather than participant
  • film is nothing but surface


Raskin geht in seinem Text darauf ein, das sowohl visueller Aussehen, Charaktere und die Narrative selbst einfach gehalten werden sollten aber trotzdem in die Tiefe gehen müssen. Er zitiert den Schriftsteller Paul Auster:

The one thing I try to do in all my books is to leave enough room in the prose for the reader to inhabit it. Because I finally believe it's the reader who writes the book and not the writer... There's a way in which a writer can do too much, overwhelming the reader with so many details that he no longer has any air to breathe.

Aus einer anderen Richtung kommt ein Hinweis darauf wie eine "löchrige" Handlung trotzdem zu einem Ganzen zusammengesetzt werden kann und trotzdem noch den Vorteil besitzt den Betrachter zu aktivieren. In dem viel gelobten Buch "Understanding Comics" von Scott McCloud beschreibt dieser wie ein Comic den Betrachter anregt und viel von den Geschichten im Comic im Kopf des Betrachters entstehen. Dabei ist es die nichtsichbare Handlung zwischen den Rahmen von Bild zu Bild welches sich der Betrachter zusammenreimt - immer aus seiner Sichtweise heraus - je mehr weggelassen wird umso mehr entsteht die Geschichte dazwischen im Kopf des Betrachters.

(Understanding Comics über die Handlung zwischen den Rahmen)

Beim Film geschieht dies sehr ähnlich. Anstelle von in Rahmen gesetzten Bildern sind es die einzelnen Szenen die zeitlich hintereinander gereiht sind (gegenüber den spatial angeordneten Comicbildern), jedoch ist das gleiche Phänomen erkennbar. Nimmt man eine zeitliche Handlung und schneidet in der Mitte etwas heraus entsteht ein Interpretationsspielraum für den Betrachter, der dann aktiv aufgefordert ist mitzudenken und dessen Vorstellungskraft angeregt wird. Im Live Cinema mit seiner dynamischen Struktur, wo auch schon mal eine Szene weggelassen oder gekürzt werden muss weil es die Musik des Moments erfordert erzeugt diese "Schwachstelle" einen aktiveren Benutzer.

Es ist also festzustellen, daß eine gewisse Linearität erforderlich ist um die Geschichte plausibel an den Betrachter zu bringen, aber ebenfalls sollte die Geschichte dynamisch auf Musik und Umgebung reagieren, was teilweise Nichtlinearität voraussetzt.

Emotionen - Grundbaustein der Zuschauerbindung

"Der Film": Alles, was der Mensch sieht, hat eine Physiognomie. Sie ist eine unabwendbare Form unseres Empfindens. So, wie wir nicht imstande sind, außerhalb von Raum und Zeit Dinge zu erfühlen, können wir sie auch nicht ohne Physiognomie erblicken. Jede Gestalt übt auf uns eine (uns zumeist unbewußt bleibende) emotionelle Wirkung aus, eine angenehme, unangenehme, beruhigende oder drohende — weil sie uns, wie entfernt auch immer, an eine menschliche oder animalische Physiognomie erinnert. Freilich projizieren wir diese selbst in die Dinge, da unsere Weltbetrachtung überhaupt zur Vermenschlichung des Betrachteten neigt, also in hohem Maße anthropomorphisch ist. Darum hat uns als Kinder die Furcht gepackt, wenn die Möbel in den dunklen Zimmern ihre Zähne fletschten oder die Bäume des nächtlichen Garten uns zuwinkten, und darum freut es uns Erwachsene, wenn ein vernünftig blickendes Landschaftsbild uns vertraut in die Augen sieht, als rede es uns mit Namen an. Diese anthropomorphe Welt ist das einzig mögliche Thema der Kunst, und die Stimme des Dichters oder der Stift des Malers erwecken nur die vermenschlichte Wirklichkeit zum Leben.

Neben einer guten, für den Betrachter verständlichen, narrativen Struktur sind die Emotionen das wichtigste Element um das Interesse am Film zu erhalten. Emotionen im Film können aus unterschiedlichen Bereichen kommen die sich gegenseitig verstärken (oder im negativen Fall auch abschwächen) können. Emotion die aus den Bildern an sich entsteht (Bild:Schwarzer Rabe auf abgestorbenen Baum (hitchcock die vögel)) und sich vor allem durch die in der Szene vorhandene Objekte, die Kameraeinstellung und die Lichtstimmung definiert. Dem Gefühl das ein Bild ausstrahlt muss beim einem Live Cinema besondere Bedeutung beigemessen werden, da es zum einen ein Element ist über das der Künstler maximale Kontrolle hat und zum anderen seine Wirkung am augenscheinlichsten (im wahrsten Sinne des Wortes) und direktesten entfaltet. Bildemotionen haben das potential das sich der Zuschauer darin verliert und die Realität um ihn herum vergisst wie eine Chinesische Geschichte veranschaulicht:

"Der Film": Einst lebte ein alter Maler, der ein herrliches Landschaftsbild schuf. Darauf wand sich durch ein reizendes Tal ein Pfad, schlang sich um einen hohen Berg, hinter dem er schließlich verschwand. Dem Maler gefiel sein Bild so sehr, daß ihn die Sehnsucht packte. Er ging in sein Bild hinein und folgte dem Pfad, den er selbst gemalt hatte. Er wanderte immer weiter und weiter in die Tiefe des Bildes, dann verschwand er hinter dem Berg und kam nie mehr zum Vorschein.

Die Wirkung der einzelnen Szenen oder Loops kann in der Produktion (dem Dreh) und der Postproduktion schon weitgehend festgelegt werden. Die Szenen sollten in sich bereits Teile der Geschichte erzählen - wie dies auch bei der Photographie der Fall ist. Es gibt einige strukturellen Elemente die im Zusammenspiel Emotion in einem Bild auslösen. Licht, Farbe und Kontrast die das Bild sind die grundlegenden Komponenten und auch jene die einfach sowohl in der Postproduktion als in der Live Performance an das Bedürfnis des Künstlers angepasst werden können. Sie spielen bei Interpretation des Musikgefühls eine wesentliche Rolle. Ihre Wirkung darf generell nicht unterschätzt werden. Ein nackter menschlicher Körper auf einem Stein liegend strahlt in einer in hellen Pastelltönen gehaltenen Farbpalette ohne harte Schatten und Konturen sicherlich ein wesentlich anderes Gefühl aus (Erotik, Liebe, ) als der gleiche Körper mit harten Kontrasten, vollen dunklen Farben (Leidenschaft, Trieb, vielleicht sogar Tod). Diese Veränderungen können sowohl am Set durch bestimmte Lichtdramaturgie, als auch in der Postproduktion die die einzelnen Loops vorbereitet, als auch in der Live Performance erreicht werden. Weitere emotionale Effekte kann die Kamera Position suggerieren. So wirkt zum Beispiel bei einer tiefen Kameraeinstellung die ein Objekt/Subjekt von unten nach oben betrachtet das Objekt überwältigend und allmächtig und selbst eine Gummiente kann auf einmal ein Machtgefühl austrahlen. Betrachtet man das selbe Objekt/Subjekt mit der Kamera von oben herab ist wird das Gefühl zerbrechlich und fleht um Mitleid. Ähnlich funktioniert es mit Nah und Totalen. Wärend bei einer Nahaufnahme eine intime Beziehung mit Subjekt/Objekt aufgebaut wird, wirkt eine Totale als Isolation bei der wenig Gefühle mit konkreten Subjekten/Objekten verbunden werden können - es lässt einen kalt.

"Der Film": Gute Nahaufnahmen strahlen jedoch auch eine zarte menschliche Haltung aus, eben weil die bescheiden verborgene Dinge aufdecken. Sie erzeugen die Stimmung einer zarten Aufmerksamkeit die in jenem rührenden Bemühen des Menschen beschlossen ist, der nicht an der trauten Heimlichkeit eines "kleinen Lebens" achtlos vorbeigeht. Gute Nahaufnahmen üben eine lyrische Wirkung aus. Sie wurden "gesehen" nicht vom guten Auge, sondern vom guten Herzen.

Auch die Kamerabewegung ruft emotionale Reaktionen in den Zuschauern hervor. Eine sich schnell bewegende von Hand geführte Kamera wird zum Beispiel meist als "hektisch" und "genervt" empfunden, bei einem ruhig schwebenden Flug entsteht Entspannung und ein erhabenes Gefühl.

Auch die Motive selbst sind Auslöser emotionaler Reaktionen. Diese enstehen vor allem durch die (unterbewusste) Herstellung einer Beziehung zwischen dem Motiv und erlebten realen Begebenheiten des Betrachters. Ein Sonnenuntergang zum Beispiel kann ein Gefühl der Sehnsucht und Frieden ausstrahlen oder ein flauschiges Bett Geborgenheit. Symbole im Bild sind ebenfalls ein einfacher Weg etwas im Betrachter hervorzurufen.

In der Theorie von Photographie und Film gibt es unzählige weitere Ideen wie mit oben beschriebenen Mitteln bestimmte emotionale Momente entstehen - zu viel um sie alle hier aufführen zu können. Wichtig ist festzuhalten das die Bildemotionen für einen Live Cinema Film von fundamentaler Bedeutung sind, da durch sie unabhängig von der Geschichte und mit relativ einfachen Mitteln der Zuschauer gebunden und beeinflusst werden kann. Bildaufbau, formale Elemente und die Motive sind dabei die gefühlserzeugenden Faktoren.

Die zweite Emotionale Komponente im Film wird durch den unterliegenden Sound und die Musik erzeugt. Der Einsatz von Tönen aller Art unterscheidet sich aber beim Live Cinema fundamental vom traditionellen modernen Kino und ist dem VJing und dem Stummfilm näher.

"Der Film": Im Stummfilm war mimischer Ausdruck, wie sich die Lippen des Redenden bewegten. Darum verstanden wir die Schauspieler der verschiedenartigsten Nationen so gut. Wir verstanden die Bedeutung dessen, wenn jemand hinter zusammengepreßten Zähnen Worte hervorzischte wie geschliffene Dolche. Das was Spiel, Mimik! ... Man konnte auf tausenderlei Art reden, solange man das Wort nur sah, aber nicht hörte.

Das Bild folgt der Musik - das ist die Grundlage von Live Cinema. Im Gegensatz zum Stummfilm (technisch bedingt) und zum VJing (fehlende Interaktion zwischen Musiker und VJ) besteht beim Live Cinema die Möglichkeit kurze mit dem Bild synchronisierte Tonschnipsel zu verwenden. Längere Kommentare oder Dialoge sind aber nicht geeignet (jedoch technisch und theoretisch einsetzbar!) bedingt durch die weniger präsente Aufmerksamkeit der Zuschauer als im traditionellen Dunkelraumkino. Durch das Fehlen von emotionsgeladenen Dialogen und der permanent das Bild verstärkende Geräuschkulisse bleibt als Hauptträger von Emotionen nur die Musik selbst - eine Komponente über die der Live Cinema Künstler während einer live Vorstellung keine Kontrolle ausüben kann - die somit das Grundgefühl diktiert und die der Interpretation durch den Künstler bedarf. Hier wird bereits ersichtlich das ein erfolgreicher Live Cinema Film nur aus einer positiven Kooperation zwischen Musikern und Visualisten entstehen kann - sowohl in der Planung im Vorfeld als auch während des Auftritts. Der Film wird in seiner Wirkung von dem Musikgefühl, also den Tempi, Farbklängen und den Melodien, diktiert und kann durch sie unterschiedlichste Aussagen erhalten - es ist auch der Hauptgrund für die Modularität in der Geschichte selbst. Das VJing zeichnet sich vor allem durch eine "gefühlt" hochwertige Integration von Bild und Musik aus die auch in einem Live-Umfeld umgesetzt werden kann. Aus den Diskussionen um die Syntax des VJing und aus der Geschichte der synästhetischen Künste ist aber auch ersichtlich, daß sich die Geister hier teilen (siehe Kapitel Eins). Durch die Recherchen in der "Farb-Musik" und "Formen-Musik" ist klar geworden das die Interpretation sich nicht auf handfeste Formeln beziehen kann. Bis auf die Rhythmik Theorie von Herrn Marks sind alle andere theoretischen und praktischen Auseinandersetzungen, die versuchen eine Übersetzung von Musik auf Bild in eine allgemein gültige Formel zu pressen, gescheitert. Was bleibt ist die Erkenntnis das es ausschließlich dem Künstler selbst überlassen ist, wie er das grundlegende Gefühl der Musik interpretiert und wie er mit dieser Interpretation umgeht. Es bleibt anzumerken, das dem aufmerksamen Betrachter meist sofort auffällt wenn ein VJ sich nicht der Musik hingibt und nur zufällig irgendwelche Loops spielt. Man kann sagen, daß die Auseinandersetzung mit der Musik für den VJ und damit auch den Live Cinama Performer essentiell ist, es aber keinerlei Regeln gibt und aus einer reinen Subjektiven heraus zum Vorschein tritt. Die Modularität und Flexibilität der Geschichte ermöglicht dem Künstler aber auf die Emotionen in der Musik aus seinem Standpunkt heraus einzugehen. Es ist das Element, welches Live Cinema in einer "Echtzeitumgebung" Spannung verleiht und das Betrachten mehrmaliger Aufführrungen in verschieden Situationen immer wieder zu einem neuen Erlebnis werden läßt. Grundsätzlich ist die Übersetzung von Musik und Bild aber ein esoterisches Thema was dieser Kunstform natürlich einen gewissen Reiz verleiht. Deutlich ist die wichtige Rolle die Musik bei der Erzeugung von Gefühlen in Raum und Zeit spielt. Wie auch beim klassischen Kino ist ein Konzert oder ein gutes DJ Set auch von einer Grundstruktur geprägt die Spannungen aufbaut, Akzente setzt und die Gäste in Extase versetzen kann. Diese Grundstruktur hat auch einen oder mehrere Klimax die über Zeiträume aufgebaut werden. Wie oben erkannt ist es genau das fehlen von Klimax und Spannungsbogen welches bei einer nicht-lineare Geschichte problematisch erscheinen könnte und der Geschichte ein wichtiges Element der Gefühlserzeugung abspricht. Gibt die Musik - vielleicht sogar in Anlehnung an das erfolgreiche "9 Akt" Modell (hier Graphik Neun Akt Modell)- nun den Spannungsbogen vor und der Live Cinema Performer reagiert auf das Gefühl das die Musik vorgibt dann sollte sich daraus eine Gesamtkunstwerk ergeben das emotional Geladen ist, eine in sich geschlossene Geschichte hat - ein entscheidender Vorteil von Live Cinema gegenüber interaktiver Geschichten und dem reinen VJing. Die Geschichten sollten natürlich auch mit ihrem Thema schon gewisse Gefühle auslösen. Ein gesellschaftspolitisches Thema bietet sich hier zum Beispiel an da es schon im vorhinein emotional Aufgeladen ist (Plakat "An inconvinient Truth" mit der Bildunterschrift: "An inconvinient Truth erhitzt die Gemüter schon vor dem Film, erhöht die Spannung durch den Film (jeder will seinen Standpunkt verteitigt wissen)"), aber auch andere Themen wie eine Liebesgeschichte setzten ein gewisses Grundgefühl und erhöhen damit Aufmerksamkeit der Zuschauer.

Ein weiterer entscheidender Aspekt der Emotionserzeugung, im Film wie auch im Live Cinema, ist der Charakter, Akteur, Schauspieler - das Subjekt. Mimik und Gestik können hier - wie beim Stummfilm erfolgreich umgesetzt - Dialoge ersetzen (Bild Metropolis). Hier wird die größte Identifikation des Zuschauers mit dem Film erzeugt. Es ist damit auch ein wichtiges Element um das Interesse am Film über längere Zeit zu wahren.

"Der Film": Durch deinen Blick identifiziert sich dein Bewußtsein mit den Gestalten des Films. Du betrachtest alles unter ihrem Blickwinkel, du hast keinen eigenen Standpunkt. Du gehst mit un der Masse, du reitest mit dem Helden, du fliegst, stürzt, und wenn auf der Leinwand einer in die Augen des anderen blickt, dann blickt er von der Leinwand in deine Augen. Denn deine Augen sind in der Kamera, sie identifizieren sich mit den Augen der handelnden Personen. Diese Personen sehen mit deinen Augen. Diesen psychologischen Akt nennen wir Identifizierung.

Wie schon beim Bildgefühl sind die Gefühle die von den Charakteren ausgehen unabhängig vom Fluss der Geschichte - ermöglichen also eine größere Flexibilität in der Erzählweise ohne den Zuschauer während der Aufführung zu verlieren. Auf die Möglichkeiten der Schauspieler, die in den gängigen Filmtheorien ausführlich beschrieben sind, soll hier im Detail nicht weiter eingegangen werden. Jedoch gibt es Dinge die aus den Erfahrungen im Bereich des VJings hervorgehen die hervorgehoben werden müssen. Zum einen sollte man den Schauspielern Zeit und Raum geben um ihre Emotionen auszudrücken, dabei gibt gerade die subtile Mimik über längere Zeit in Kombination mit Musik viel Raum für emotionale Interpretation und erzeugt dadurch auch einen aktiven Zuschauer der sich einen eigenen emotionalen Reim auf die Vorführung macht - ein wichtiges Anliegen des Live Cinema Films. Die Wahl des Typus eines Charakters kann in sich ebenfalls schon eine emotionale Grundstimmung erzeugen (ein bettelndes Kind, wie auch immer es sich im Film charakterlich entwickeln mag, erzeugt ersteinmal ein Mitleidsgefühl ohne das irgendetwas gespielt oder getan werden muss). Dabei kann auch auf Archetypen, wie von Carl G. Jung beschrieben, zurückgegriffen werden um einen Akteur auf einfache Weise zu beschreiben. Die Handlung kann sich dann komplett auf die Tiefe des Charakters konzentrieren muß aber den Charakter selbst nicht erklären.

Man kann also sagen das die Musik die Gefühlsstruktur vorgibt und den Spannungsbogen aufbaut - damit diesen Teil vom klassischen linearen Film übernimmt. Die Geschichte selbst und deren Thema gibt ein Grundgefühl vor welches den emotionalen Ton des Abends und das Grundthema der Musik bestimmt. Akteure und die Bilder selbst verleihen dem individuellen Moment emotionale Ausrichtung und sollten live mit dem aktuellen Gefühl der Musik in Einklang und Harmonie gebracht werden.

Kunst und Dinges Magazin 115 "Aufmerksamkeit - zwischen Irritation und Langeweile": "Da sich wie schon erwähnt Emotionen (noch) nicht direkt hervorbringen lassen, bedient sich der Künstler im Prinzip zweier indirekter Methoden. Die erste ist die Auslösung durch Assoziation: Werden mit Hilfe von Bild, Text oder auch auf irgendwelchen anderen Wegen Vorstellungen von Situationen ausgedrückt, auf die wir normalerweise - reflexartig - durch emotionale Regungen antworten, dann braucht man nur entsprechende Bilder, Worte, Klänge und dergleichen anbieten, um ein entsprechendes Echo im Adressaten hervorzubringen..... Weitaus komplizierter, und deshalb auch interessanter ist die Frage, wieso es möglich ist, auch mit Hilfe von Kunstwerken Aufmerksamkeit zu gewinnen, bei denen keine Assoziative Vermittlung von Emotionen erfolgt, z.B. deshalb weil sie nur ein Minimum an semantischer Information enthalten.... Bei ihnen (Musik und konstuktivistische Kunst) kommt die zweite Möglichkeit der Auslösung von Emotionen zum Tragen, und zwar dadurch, dass man die Datenstruktur so aufbereitet, dass es genau zu jener gut gelingenden Informationsaufnahme kommt, die zwischen Irritation und Langeweile liegt und somit die verbundenen positiven Gefühlseindrücke aktiviert"

Subjekte und Objekte - Identifikation und Spannung

rythmic science p77: "The sequence really doesn´t care what you do as long as you are watching. "

Die Subjekte haben neben dem Erzeugen von Emotionen auch noch eine andere Funktion im Film. Sie geben ihm zusammen mit prominenten Objekten ein Gesicht. Das heißt, sollte man den Vorführungsraum in der Mitte des Filmes verlassen und kurz vor Ende wieder betreten, sieht man an den Gesichtern oder Dingen ob man noch im gleichen Film ist. Dieser sichtbaren Verbindung sollte im Idealfall auch durch einen zum Film passenden visuellen Stil verstärkt werden. Im Live Cinema Film mit einem dynamischeren Publikum ist diese visuelle Konsistenz für die Orientierung der Zuschauer wichtig. Zum einen erkennt dieser dadurch, daß ein interessantes Muster vor ihm liegt, welches es gilt zu entschlüsseln und damit zu merken das auf der Leinwand mehr als nur bewegte Tapeten zu sehen sind. Zum anderen hilft es bei der Identifikation mit dem Film an sich. Anhand dieser Art der Identifikation werden auch Gespräche über den Film im Nachhinein möglich - Buschfunk, Publicity und ein generelles öffentliches Interesse sind die Folge. Die Objekte haben aber noch ein weiteren Effekt der nicht nur mit "Emotion" oder visueller Etikette beschrieben werden kann, sondern eher von dem unstillbaren Wissensdurst des Menschen und der daraus folgenden Neugier geprägt ist. Als "McGuffin" wird im Film ein Objekt bezeichnet welches im Mittelpunkt der Handlung steht - zum Beispiel ein Schriftstück welches eine Schatzkarte enthält, ein Diamant der den Mörder identifiziert usw. Im normalen Film taucht dieses Objekt manchmal bis zum Schluss nur in Dialogen auf und wird nicht gezeigt, es dient vor allem zur Erzeugung von Spannung und Neugier.

[1]When scenes are built around dramatic tension, it doesn’t really matter what the story is about.

Sichtbar gemacht, kann beim Live Cinema ein solches Objekt aber sehr nützlich sein um einen weiteren Zusammenhalt des Films zu erreichen. "MiniMcGuffins" können eingesetzt werden um einfach nur zwei Sequenzen zusammenhalten (Mann wirft roten Ball aus dem Bild, Kind fängt roten Ball in nächster Einstellung), sowohl visuell als auch narrativ. Aber auch der alles überspannende McGuffin, dem von den Akteuren größere Aufmerksamkeit zuteil wird, kann bewirken, die Spannung oder die Neugier über den ganzen Film hinweg zu erhalten und diesen damit auch für den unaufmerksamen Betrachter zu einem sinnvollen Ganzen zu verbinden. Um Effektiv zu sein sollte im Live Cinema der McGuffin sich stark visuell herausheben (z.B. ein schreiend gelber Koffer der die Besitzer wechselt und scheinbar Unheil bringt) und eingeführt werden (z.B. der gelbe Koffer steht in der Eröffnungssequenz in einer Ölpfütze und wird von zwei Männern mit Turban aufgehoben und gesäubert). Das McGuffin Objekt sollte dabei in sich selbst schon ein Geheimnis ausstrahlen welches ohne große Beschreibung erkenntlich wird (der gelbe Koffer, dessen Inhalt ein Mysterium ist erzeugt beim nichtwissenden Zuschauer Neugierde und Spannung). McGuffins im Live Cinema müssen aber nicht unbedingt in die Handlung eingeflochtene Objekte sein, sonder sich auch über grafische Elemente überhalb der Geschichtsebene manifestieren (z.B. eine immer wieder gestellte typografisch eingeflochtene Frage, die erst am Ende einen Sinn ergibt. Ein Symbol welches immer bei bestimmten Charakteren eingeblendet wird etc)


Die live Kompostion - rhythmisch, fließend, gehaltvoll

Um den Zuschauer über eine längere Zeit in interessieren zu können ist neben der emotionalen Komponente natürlich auch wichtig wie einzelne Szenen zu Sequenzen und Sequenzen zu einem Gesamtwerk zusammengefügt werden. Der Film hat diesen Fluß im Laufe seiner Geschichte so weit perfektioniert das die Technik - die Montage - in den Hintergrund tritt und vom Betrachter kaum bemerkt wird. Durch den virtuosen Umgang mit Bildern und deren linear zeitliche Kombination werden Ideen und Geschichten an den Betrachter getragen und von diesem aufgesogen. Die Montage setzt einen Film zusammen, macht ihn zum ganzen und gibt den einzelnen Szenen oder Shots einen Sinn.

Russischer Experimentalfilmer Lew Kuleschow in "Aspekte der Filmmontage": "Das Wesen des Films muß nicht innerhalb der Grenzen des gefilmten Fragments gesucht werden, sondern in der Verkettung dieser Fragmente."

Dabei hat der Film den entscheidenden Vorteil gegenüber dem VJing und dem Interaktiven Geschichten erzählen, daß man vor der Fertigstellung minutiös planen und ausprobieren kann welche Szenen sich wie aneinanderreihen um einen optimalen Fluss der Geschichte zu erreichen. Dabei wurden im Laufe der Zeit eine Vielzahl an Regeln aufgestellt und Ideen praktisch umgesetzt.

"Aspekte Filmmontage" Wsewolod I. Pudowkin: "Die Kunst, einzelne aufgenommene Teilstücke so zu vereinigen, daß der Zuschauer im Resultat den Eindruck einer ganzen, kontinuierlichen, fortlaufenden Bewegung bekommt, sind wir gewohnt, Montage zu nennen."

Die Montage funktioniert dabei sowohl Raumunabhängig, als auch Zeitunabhängig. Es kann also weitgehend beliebig durch Raum und Zeit gesprungen werden. Wenn der Schnitt verschiedene Handlungen verbindet spricht man von cross-cutting. Wird nur in einer Handlung mit verschiedenen Kameraeinstellungen geschnitten - die Multiple Shot Scene - gibt es eine Reihe von Möglichkeiten wie man sie im Schema 1 (aus "Aspekte der Filmmontage") erkennt. Ein harter Schnitt zwischen zwei unabhängigen Handlungen und Szenen ergibt eine Superposition - bedingt durch die Trägheit der Augen vermischen sich beide Szenen - was für einen kurzen Moment zu einem ähnlichen Effekt wie bei der Collage führt.

Wsewolod I. Pudowkin in "Aspekte der Filmmontage" 17: "Überall Trennungen, Lücken verschiedenster Art, mitunter gemessen nach Minuten und Metern, mitunter nach Tausenden von Kilometern und Dutzenden von Jahren. Trennungen und Lücken dringen sehr tief ein. Die scheinbar einfachste Handlung oder Bewegung eines Schauspielers kann sich als in Teile getrennt herausstellen. ( ... ) Die Kunst, einzelne aufgenommene Teilstücke so zu vereinigen, daß der Zuschauer im Resultat den Eindruck einer ganzen, kontinuierlichen, fortlaufenden Bewegung bekommt, sind wir gewohnt, Montage zu nennen."

Die Montage macht den Film modular. Sie ermöglicht die Fokusierung des Betrachters auf das Wesentliche. Durch das Weglassen von Unwesentlichem wird Spannung und Tempo erzeugt. Der fließende Rhythmus, der im Film perfektioniert wurde, stellt aber gewisse Anforderungen die im Live Cinema nicht immer erreicht werden können. So muß bei Zeitsprüngen immer abgewogen werden ob bestimmte Handlungen beim Betrachter noch erkennbar bleiben, schneidet man zu viel heraus kann der Zuschauer mitunter nicht mehr folgen, zeigt man jegliche Details so ist der Betrachter schnell gelangweilt. Durch das veränderte Sehverhalten der Generationen muß hier eine Balance gefunden werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Sprung durch den Raum. Wird wahllos zwischen verschiedenen Standorten geschnitten kann sich der Beobachtende verloren fühlen. Orte sollten eingeführt und Wege zwischen Orten erklärt werden. Bei der Multiple Shot Scene haben sich im Laufe der Zeit Konventionen durchgesetzt die einen optimalen Fluss zwischen den Bildern ermöglichen. Ein weiteres Element welches einen Fluss brechen oder unterstützen kann ist die Bewegung im Bild selbst. Bewegungsvektoren die über mehrere Szenen hinweg konsistent sind verbinden diese zu einer Einheit. Gegensätzliche Bewegung hart aneinander geschnitten unterbrechen jeglichen Fluß und heben die Technik Montage in den Vordergrund, was das emotionale Erlebnis und die Konzentration auf die Handlung mindert. (Knochen nach oben werf szene aus 2001 Bild)

Durch Planungen in der Vorproduktion (vor allem durch das Storyboard) und der Verfeinerung (durch probieren) im Schnitt kann man beim normalen Film ein nahezu perfektes fließendes Gesamtergebnis erzielen. Beim Live Cinema ist es möglich auch während der Planungsphase darauf zu achten, daß es innerhalb von zusammenhängenden Sequenzen eine Kohärenz gibt die auf den oben genannten Techniken aufbaut, durch die Nichtlinearät der Geschichte und der bestehenden Notwendigkeit der Anpassung an die Musik kann aber niemals gewährleistet werden, daß diese in der Perfektion des Films umgesetzt wird. Auch die, vor allem durch Ausprobieren im Schnittraum erreichte, Verfeinerung ist in der live basierten Montage nur bedingt möglich. Zwar kann der Loop oder die Szene bereits so angelegt werden das die Handlung oder Bewegung berücksichtigt wird, jedoch kommt es oft vor das, bedingt durch die Musik, vorher aus einer Szene herausgegangen werden muss oder der Loop mitten in einer Bewegung wechselt. Ein Blick auf die Kunstform des VJing lässt erkennen, daß hier neben der Montage eine andere Technik vorherrscht die dieses Problem überwinden hilft. Während beim Film die Montage dominiert so ist es beim VJing die Collage die für eine Verbindung und fortwährenden Fluss sorgt. Die Collage erlaubt weiche Übergänge zwischen einzelnen Loops die mit einem harten Schnitt nicht zusammen passen würden - das Musikgefühl des Moments aber diese Kombination erfordert. Die Collage im Bewegtbildmedium ist, wie in anderen Kunstrichtungen auch, die Möglichkeit verschiedenstens Material im gleichen Raum und Zeit zu einem Neuen zu verbinden. In den surrealistischen Filmen von Buñuel wurde sie das erste mal im Bewegtbildmedium eingesetzt und entwickelte sich in der synästhetischen Kunst durch die Erfindung des Videomischers 1979 durch Peter Donebauer und Richard Monkhouse zum vorherrschenden stilistischen Element. Die Möglichkeit des ununterbrochenen Bilderfluß trotz unterschiedlichster Szenen und Stile verhilft der Collage bis heute seine Vormachtstellung bei den VJs. Durch das Auswechseln einer Ebene, bei Beibehaltung aller anderen aktiven Ebenen, wird so das Bild geändert ohne das auf das Ändern selbst Aufmerksamkeit gelenkt wird.


Doch die Collage hat neben dem erzeugen von fliessenden zusammenhängenden Bildsequenzen auch noch andere Nutzen. Zum einen verbindet sie stilistisch entgegengesetzte Bilder wie Grafiken und Videos oder Typographie und Videos oder Photos und Typographie etc. Außerdem ist im moderneren VJen ein Trend zu beobachten der den Ebenen einen Sinn gibt. Es wird eine Unterscheidung zwischen "Rhythmusebene" und "Gefühlsebene" gemacht, wobei bei einigen Narrativen VJ werken die "Gefühlsebene" auch eine "Narrativebene" werden kann. Die Szenen werden mit meistens graphischen, rhythmischen Loops überblendet oder gekeyed um so einen oder mehrere visuelle Rythmikkanäle zu erhalten um den eventuell mehrspurigen Rhythmus der Musik nachzuempfinden. Der visuelle Rhythmus wird damit ebenfalls zu einem Teil dem eine große Bedeutung zufällt wenn es um den Fluss des Stückes geht.

"Everything in the universe has rhythm. Everything dances." Maya Angelou

Rhythmus generell ist eine Lebensgrundlage, es steckt in so vielen Dingen um uns herum und die meisten Menschen können ihn einfach erkennen wenn er sich manifestiert. Der Rhythmus gibt die Geschwindigkeit vor, ist Bestandteil des Gefühls das die Musik vermittelt und er kann Spannungen erzeugen und zerstören. Vor allem beim VJing ist der Rhythmus das Grundlegendste Element welches das Stück bestimmt. Der VJ kann sich dabei entscheiden ob er den Rhythmus der Musik als grundlegend ansieht und ihm immer und überall hin folgt, oder die Bilder absetzt von der Musik in dem er bewusst neben dem musikalischen Rhythmus einen Bildrhythmus erzeugt. Dieser sollte dann aber in einer harmonischen Weise mit dem musikalischem konkurrieren, ihn erweitern, ergänzen, zerstören aber im gleichen Tempo bleiben und sich nach musikalischen Gesichtspunkten strukturieren. Es gibt mehrere Möglichkeiten für den VJ dem Bild einen Rhythmus zu verleihen. Die angewandte Art hängt stark von der Art des Rhythmus und dem Kontext der Bilder ab. Stärkere Beats verlangen meist nach härteren rhythmischen Kontrasten. Die wohl wichtigste und visuell gesehen stärkste Form ist der Bildschnitt. Das montieren unterschiedlicher Szenen mit mehreren harten Schnitten oder Blenden in einer Sequenz erzeugt immer einen Rhythmus. Ähnlich diesem Prinzip, jedoch bildlich schon schwächer, gibt es den Schnitt innerhalb ein und derselben Szene um ein Zeitloch oder Zeitsprung (in alle Richtungen) zu erreichen - eine Methode die heute auch gerne in vielen Musikvideos und Filmen verwendet wird. Man bleibt im gleichen visuellen Kontext und hat - je nach Bewegung im Bild - trotzdem einen relativ hohen Kontrast. Die Bewegung im Bild selbst beeinflusst das Rhythmusgefühl ebenfalls. Dabei hängt die Stärke natürlich ganz von der Bewegung selbst ab. Bewegt sich die Kamera (zum Beispiel in einer Zugfahrt) strahlen viele Elemente im Bild Rhythmus aus (z.B. Bäume oder Masten am Wegrand, entgegenkommende Züge, vorbeifliegende Vögel etc.). Bei ruhender Kamera sind es die Objekte und Subjekte der Szene selbst die den Rhythmus ausmachen, die Stärke wird hier davon bestimmt wie viel Bildinhalt sich verändert - so wird etwas was sich dicht an der Kamera vorbei bewegt einen stärkeren Rhytmus erzeugen (z.B. Ein Zug fährt durchs Bild und nimmt dabei die gesamte Höhe des Bild in Anspruch, die Lücken zwischen den Wagen geben den Rhythmus) als ein Objekt welches sich in weiter ferne befindet (Vogelschwarm am Himmel über einem Hochhaus). Eine weiteres Rhythmus Element ist das Bild selbst - ohne Bewegung. Dies ist die subtilste Art Rhythmus zu erzeugen und spielt sich eher auf einer unterbewußten Ebene ab. Ob Architektur, Ornamentik, natürlich gewachsene Strukturen oder Jackson Pollok - Formen implizieren ein rhythmisches Gefühl selbst wenn sie sich nicht bewegen und das kann vorteilhaft eingesetzt werden um das Rhythmusgefühl zu verstärken.

expanded cinema p100: 'Schofill has developed a method of A-B-C-roll editing for superimpositions, adapted from Karel Reisz's methods of cutting single footage. It's a rhythmic concept, that is, a shot is divided into definite kinetic "beats." The kinetic activity begins, reaches a middle point, and ends. In triple superimpositions, the corresponding rhythms of each piece of film are matched, fading in and out without abrupt cuts.'

Sind visueller und auditiver Rhythmus perfekt aufeinander eingestimmt ist ein wichtiger Grundstein gelegt um ein Gesamtkunstwerk entstehen zu lassen. Stimmt auch noch das Zusammenspiel auf der Gefühlsebene kann der Effekt auf den Zuschauer hypnotisierend wirken.

Beim VJing entsteht das Werk aus der rhythmischen Collage von einzelnen Szenen. Im Gegensatz zum normalen Film sind die Szenen aber nicht linear sondern meist als Loop angelegt. Der Loop verändert die Zeitabfolge und verstärkt die Bedeutung von Bewegung und Handlung. Alles im Medium "VJing" ist um diesen Loop herum gebaut. Die Idee kommt sowohl aus den allerersten Bewegtbildautomaten (TropeDIngensBIld) die ein und die selbe Bewegung immer wiederholten und aus der elektronischen Musik, wo durch das zusammensetzen von Loops die Lieder entstehen.

Aspekte der Filmmontage p5: 1893 ließ sich Edison den handgetriebenen Kinetoscope, einen Münzfilmkasten, patentieren. Die Filmschleifen (Rollfilm von Eastman) waren bis zu einer Minute lang (25-50 feet) und wurden ab 1894 am Broadway und in allen großen amerikanischen Städten in sogenannten parlours oder peep shows gezeigt. Die Vorführräume, in denen jeder einzeln an seinem Guckkasten kurbelte, wurden auch penny arcades genannt. Zu Beginn des Films und seines Schnitts wurden nur Anfang und Ende der Einstellung beschnitten, damit der Filmstreifen besser als Schleife zusammengeklebt werden konnte oder besser in ein Vorführgerät paßte.

Für eine Rhythmus und Gefühlsinterpretation der Musik ist diese Herangehensweise auch durchaus effektiv - vor allem wenn man bedenkt das ein VJ Set auch schon mal bis zu 12 Stunden dauern kann. Genug interessantes lineares Material für 12 Stunden bereitzustellen, welches sich nicht wiederholt ist sicherlich nicht sehr praktikabel. Jedoch ist der moderne Mensch sehr aufmerksam geworden und wird sehr schnell gelangweilt wenn er einen sich wiederholendes Muster erkennen kann. Außerdem wirken sich wiederholende Handlungen von Menschen oft grotesk oder lustig - auch wenn die Handlung selbst weniger zum lachen ist. Gut hingegen sind Loops in rhythmischen Grafikebenen und sequentielle Bildänderungen die sowieso als Zyklus funktionieren (z.B. das Blinken einer Kontrolllampe). Die Loops sind damit ein Teil des Ganzen, eine Möglichkeit das Stück zeitunabhängiger und rhythmisch angepasst zu gestalten, stehen einem sequentiellen Ablauf im großen Kontext jedoch nicht im Wege.

"language of new media" 317: "Can the loop be a narrative form appropriate for the computer age? It is relevant to recall that the loop gave birth not only to cinema, but also to computer programming. Programming involves altering the linear flow of data through control structures, such as "if/then" and "repeat/while"; the loop is the most elementary of these control structures. Most computer programs are based on repetitions of a set number of steps; this repetition is controlled by the program`s main loop. So if we strip the computer from its usual interface and follow the execution of a typical computer program, the computer will reveal itself to another version of Ford´s factory, with the loop as its conveyer belt. As the practice of computer programming illustrates, the loop and the sequential progression do not have to be considered mutually exclusive."

Alle Bausteine der Komposition zusammen genommen sollten eine rhythmisch fließende Verbindung von Sequenzen ergeben. Montage, Collage und der Loop sollten den Film nicht dominieren, das Bild zerstören, von der Handlung ablenken bzw. Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Techniken sind effektiv und sinnvoll je nach entsprechender Problemlage einzusetzen.

Die Syntax - Grundlage medialen Ausdrucks

Wie aus dem oben Beschriebenen ersichtlich, gibt es beim Bewegtbild viele Techniken und Ansätze um die Bilder in ein fließendes, narratives und mit der Musik harmonisierendes Gesamtwerk zu integrieren, welches die Zuschauer in seinen Bann zieht. Wie kann dies beim Live Cinema aber genau aussehen? Zunächst einmal gilt es eine Struktur für die Geschichte selbst aufzustellen. Wie bereits festgestellt sollte der Aufbau der Geschichte eine Balance zwischen linearem und nichtlinearem darstellen. Das Lineare um die Geschichte als solche erkennbar zu machen und auf die Sehgewohnheiten der Zuschauer einzugehen, das Nichtlineare um während der Aufführung flexibel sein zu können, den Zuschauer zu aktivieren und etwas einmaliges zu bieten. Eine Geschichte im Live Cinema kann mit einem Puzzle verglichen werden. Man definiert den Rand des Puzzles um sich orientieren zu können und arbeitet sich von dort aus zur Mitte hin vor. Dabei gibt es eine fast unbegrenzte Zahl an Möglichkeiten das Puzzle zu beenden, aber eine begrenzte Anzahl an Teilen die alle nur in einer bestimmten Art und Weise an einander passen. Das endgültige Bild ist auch schon vor der Vollendung ersichtlich, bzw. interpretatorisch erfassbar. Wählt man einen anderen Weg wird sich die Interpretation vor Vollendung des Bildes ebenfalls ändern. Das Gesammtbild bleibt dabei immer gleich und ebenfalls die Puzzleteile. Der Rahmen der zuerst zusammengesetzt wird ist mit der Rahmenhandlung der Geschichte vergleichbar. Es ist der Einstieg in dem erklärt wird wo man sich befindet, wer Teil des Ganzen ist, was der Hintergrund sein könnte, was für Probleme zu lösen sind etc. - die ersten 2-3 Akte der Geschichte. Es ist der Raum aus dem sich die Geschichte nicht hinausbewegt und auf den man am Ende wieder zu sprechen kommen könnte. Der Rahmen ist das Bestimmte, der Teil in dem möglichst alle Teile präsent sein sollten um das weitere Fortschreiten zu erklären. Der Anfang ist also Linear und in seiner Struktur wenig veränderbar. Nachdem der Rahmen zusammengesetzt ist, kann man aus einem riesigen Pool von Puzzleteilen versuchen das Bild zusammenzusetzen. Dabei ist auch hier eine gewisse Ordnung (aussen nach innen) nötig jedoch kann gewählt werden ob oben rechts oder unten links angefangen wird - meistens jedoch werden Puzzleteile an schon vorhandene Teile angesetzt. Im übertragenen Sinne bedeutet das, daß die Geschichte über verschiedene zusammenhängende Stränge verfügt, diese Stränge sich so zusammensetzen, daß sie sich lose an vorher Geschehenem orientieren. Sie ergeben dann ein Gesammtbild, welches aber bereits im Kopf des Betrachters ensteht bevor alle Szenen gespielt wurden. Wie viele Teile ausgelassen werden können hängt von der Einschätzung des Künstler ab, wieviel Abstraktion traut er dem Zuschauer zu oder wie verläuft die Musik in der Zeit. Auch ob er die Mitte des Puzzles beendet - also das Ende der Geschichte auflöst, ist der Situation angemessen zu entscheiden - auf der einen Seite will man den Zuschauer aktiv halten und zum mitdenken anregen, auf der anderen Seite will man ihn nicht enttäuscht zurücklassen.

Eine mögliche Struktur einer Live Cinema Geschichte kann vereinfacht also folgendermaßen dargestellt werden:

A B C D E F sind Sequenzen des Films. Die Reihenfolge von B C oder D E kann während der Vorstellung verändert werden.

A -> C -> B -> D -> E -> D -> F oder A -> C -> B -> E -> D -> F oder A -> B -> C -> E -> D -> F

Sequenz A führt die Charaktere ein, zeigt Konflikte auf und definiert damit die Geschichte selbst. B C D E sind dann Sequenzen die zwar wichtig sind um die Geschichte zu erklären, es aber nicht so wichtig ist in welcher Reihenfolge diese erzählt werden. Die Sequenzen können verschiedene kleine Geschichten erzählen, sie können die Sichtweisen verschiedener Aktuere zu einem Event zeigen, sie können ein und den selben Akteur in verschiedenen Zeiten oder verschiedenen Orten zeigen oder eine Mischung aus diesen Möglichkeiten. Im Gegensatzt zum linearen klassischen Film in dem es nur darum geht die Geschichte weiterzubringen mit jeder Sequenz, vermitteln sie hier eher einen gefühlten Überblick über die Geschichte, setzen eine Grundstimmung. Die Geschichte bleibt dabei wesentlich obskurer und der Zuschauer wird zum aktiven schauen angeregt. Um weitere Flexibilität in der Live Performance zu erhalten können alternativ Sequenzen eingesetzt werden.

A -> C1 oder C2 oder C3 -> B1 oder B2 -> D1 oder D2 oder D3 -> E1 oder E2 -> F

Dabei erreicht der Charakter in einer veränderten Handlung das gleiche wie in der Originalhandlung. Es wäre demnach zum Beispiel egal ob jemand auf die Toilette geht um dort eine Zeitung zu lesen in der er die wichtige Stellenanzeige findet, oder er zum Kiosk geht um sich Zigaretten zu kaufen und während des stöberns in den dortigen Zeitungen die selbe Stellenanzeige findet - sein Ziel die Stellenanzeige zu finden erreicht er in beiden Fällen, jedoch sind beide Möglichkeiten von unterschiedlichster optischer Anmut. Einmal ist es eher eine passive, ruhige, enge Toilettenszene. Der andere Fall zeigt den Akteur aktiv Treppen herunterrennen, Türen aufstoßen, auf eine Sonnendurchflutete Straße zu taumeln und mit anderen Akteuren zu interagieren. Es ist deutlich das bei diesem Beispiel veränderte Grundstimme der Aufführung und eine anderes Musikgefühl den Künstler veranlassen sich für die eine oder andere Variante zu entscheiden. Aus dieser Struktur ergibt sich eine sowohl zeitlich nichtlineare Geschichte, die auch in der Handlung modular ist.

(hier denn das eigene Diagramm überblick über struktur)


Diese Struktur erlaubt bereits gewisse Freiheiten die sich vor allem auf die Grundstimmung von Musik und Aufführungsraum beziehen. Um den Zuschauer in den Bann zu ziehen und die direkte Verbindung zur Musik zu erreichen ist aber der allgemeine Fluss und die Rhythmik der Bilder ebenfalls von zentraler Bedeutung. Dieser Aspekt geht eher ins Detail, also in die Szenen die eine Sequenz ausmachen. Wie bereits festgestellt, eignet sich die Montage zwar hervorragend dazu einzelne Szenen miteinander zu verbinden, jedoch hat man in einer Liveumgebung das Problem das Achsensprünge, Bewegungssprünge und zu extreme temporale und spatiale Lücken die den Fluss eines Films empfindlich stören können. Um dieses Problem zu umgehen nutzt der VJ die Collage. Diese hat jedoch den großen Nachteil, daß sie das Bild leicht zu einem Bildkollaps führen kann. Das heißt, es werden verschiedenste Loops übereinander geblendet das ein unverständlicher flackernder Bildbrei die Folge ist. Dazu reichen oft schon zwei sich stark bewegende Videoebenen. Ein möglicher Weg zu einem verständlichen Live Cinema eröffnet sich, wie auch schon bei der Grundstruktur, indem man diese zwei Techniken auf intelligentem Wege in Balance bringt. Die Collage sollte ein "Live Compositing" werden, also wie in der professionellen Postproduktion werden die Elemente der Collage so miteinander verbunden das ein einheitliches funktionierendes Bild entsteht, jedoch sollten die einzelnen Elemente veränderbar bleiben. Diese Veränderung kann in Zeit und Aussehen stattfinden. Eine flackernde Lampe zum Beispiel, wobei das Licht als zweite Ebene auf der sonst unbeleuchteten Szene liegt. Das flackern kann dann rhythmisch der Musik angepasst werden und wie bereits gesehen auch ein Loop sein und der die Synchronisation mit der Musik vereinfacht. Einfacher noch ist eine sinnvolle Komposition mit Typographie oder grafischen Elementen zu erreichen, die sich im Bild einfügen. Grafische Elemente können dann auch als "Brückenelemente" benutzt werden um die Montage der dahinter liegenden Narrativebenen zu verflüssigen. Wichtig ist, daß beim Betrachter nicht der Eindruck entsteht, daß nur zwei beliebige Ebenen einfach grundlos übereinandergeblendet werden wie man es beim VJing fast ausschließlich beobachten kann. Sowohl Inhalt wie auch Form sollten in allen Ebenen miteinander korrespondieren. Beim Live Cinema hat man zusätzlich noch den Vorteil, daß Szenen die zu einer Sequenz gehören bereits so zusammengestellt werden, daß ein Fluss wie in der Montage des klassischen Film möglich ist. Das ist vor allem bei Szenen der Fall die kein Loop sind und linear aneinandergefügt werden - alle Regeln des Filmschnitts können hier zum Einsatz kommen. Werden narrative Loops im gleichen Kontext verwendet kann man darauf achten, daß sie in Bewegung, Aussehen und Gefühl weitestgehend zusammenpassen. .

(eigenes Diagramm Ausschnitt von Layern und Montagen)

Die Loops selber nehmen im Gegensatz zum VJing nicht unbedingt eine unumstößliche Vorreiterrolle ein. Zum einem bewegt sich ein Live Cinema Stück in einem zeitlich begrenzten Rahmen - die Loops müssen dadurch nicht zur Überbrückung von riesigen Zeitabschnitten herhalten, zum anderen ist gerade innerhalb der Sequenzen eine linearere Grundstruktur vorhanden, die es ermöglicht auch kürzere Szenen unterzubringen ohne den aufführenden Künstler permanent damit zu beschäftigen die richtigen nächste Szene herauszusuchen und im richtigen Moment zu starten. Das heißt aber nicht, daß Loops ganz und gar verschwinden müssen. Gerade in den Rhythmusebenen können sie ihre Stärke zeigen (z.B. die flackernde Lampe aus dem oberen Beispiel blinkt im Loop, jedoch ist die darunterliegende Handlung linear). Grafische Elemente und Typographie sind oft auch als Loop darstellbar und so zeitunabhängig einzusetzen. Der Loop kann desweiteren benutzt werden um das Augenmerk auf eine bestimmte hoch relevante Handlung zu lenken, die essentiell für die Geschichte im Ganzen ist, jedoch ist hier darauf zu achten das der Handlungsloop kurz und prägnant sein sollte und sich nicht über einen zu langen Zeitraum hinweg wiederholt - andernfalls führt das relativ schnell zu gelangweilten und unterforderten Zuschauern und eine Unterbrechung des visuellen wie narrativen Fluss der Geschichte.

Zusammengenommen: Der Fluß darf nicht unterbrochen werden, die Geschichte sollte erkenntlich sein und Neugier erzeugen, die Performance muß dynamisch bleiben und sich rhythmisch und emotional der Musik anpassen können, die Charaktere sollten eine Identifizierung der Zuschauer bewirken, Objekte wie ein roter Faden durch die Geschichte gewoben werden, Bildstimmung, Mimik und Gestik der Schauspieler und die Geschichte Emotionen entfesseln. Dies zusammen mit einem anspruchsvollen visuellem Stil und einer funktionierenden Musikperformance sollte die Zuschauer über längere Zeit fesseln, sie aktiv am Geschehen beteiligen und zum kreativen mitdenken anregen. Die oben Beschriebenen Möglichkeiten der Struktur sollten eine solche Performance ermöglichen.




VJBOOK p16: Other than a “The End” projected onto the screen or the blue light of the projector without signal, the mix always implies future images. And it is the labor of both the performer and audience that gives it life: the eye and body work at frenzied paces to keep up with the rhythmic changes of a given performance.

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