Kapitel Eins: Emanzipationsdrang des VJing und Sinnkrise des Kinos als Grundlage für ein "Event Based Cinema"

From Live Cinema Research

Revision as of 10:58, 8 June 2006; view current revision
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Nichts scheint heutzutage so schnell wie Kommunikation und diese beruht auf den Medien - dem Zentrum der Kommunikation (v. lat.: medium = Mitte(lpunkt)). Die Menschen schmücken Medienkonzepte kunstvoll aus und formen durch sie Kunst im eigentlichen Sinne. Marshall McLuhan sagte "Das Medium ist die Botschaft" und verband Kunst, Nachricht und Transportmittel zu einem Ganzen. Doch wie McLuhan schon feststellte - Nachrichten altern schneller und schneller - mit ihnen scheint das jeweils tragende Medienkonzept zu vergreisen und sich zurückzuziehen um Platz zu machen für etwas neues, schnelleres, direkteres, spontaneres, verbindenderes. Auf Verfall folgt Entstehung - das Grundraster der Evolution. Jede Generation versucht etwas zu verbessern etwas zu verändern und jede Generation ist ein Experiment in sich. Ob etwas bestehen kann hängt von den Gesetzen der Welt ab in der es bestehen muss und den Gründen für den Verfall der Vorgänger. Im Fall von Live Cinema gibt es zwei mediale Vorläufer die aus verschiedenen Gründen zur Zeit dem Verfallsprozess ausgesetzt sind und damit einen nahrhaften Boden für einen Nachfolger bzw. einen evolutionären Abkömmling geben. Beide Medienkonzepte sind stark miteinander verwoben und haben einige wichtige Schnittpunkte - sowohl direkt in ihrer Geschichte als auch indirekt mit ihren technischen Hilfsmitteln mit denen sie die Kommunikation ermöglichen. Ihre Entwicklung und der Grund ihres momentanen Verfalls scheint auf den ersten Blick fundamental verschieden, schaut man jedoch genauer hin so finden sich Gemeinsamkeiten die einen Rückschluss direkt auf die heutige Gesellschaft zulässt.

Die Kinokultur steckt offensichtlich in einer Finanz- und Wesenskrise und um auch in Zukunft relevant zu bleiben muss sie nach zukunftsträchtigen Perspektiven Ausschau halten.

Relativ unerwartet kommt nach etwas mehr als 100 Jahren eine Branche und ihre Kunstform in eine Krise die das Medienzeitalter anführte. Kino mit seinen finaziellen, künstlerischen, kulturellen und technologischen Auswüchsen galt lange Zeit als unverwundbar. Das Kino schien sich von Jahr zu Jahr von innen heraus erneuern zu können. Vom Stummfilm, zum Tonfilm zum Farbfilm zum Computeranimierten Special Effects Film, von der Jahrmarkt Attraktion über feste Räume über Kinohäuser bis hin zu hochmodernen Multiplexen, vom Theaterkonzept zur Geschichte auf verschiedensten Ebenen und alle anderen Versuche auf diesem Medium gaben den Anlass zu glauben, das es sich hier um ein unerschöpfliches Medienkonstrukt handelt welches mindestens genauso lange Bestand haben würde wie das gedruckte Buch. Dann etwa 1999 kam der große Schock. Nachdem die Kinowirtschaft so viele neue Multiplexe gebaut hatte und viele kleinere Kinos gerade renoviert und generalüberholt wurden ging das erste mal in der Geschichte des Kinos die Besucherzahl drastisch zurück. Was einige noch für einen kurzlebigen Trend hielten entpuppte sich als anhaltende Abwärtspirale. 2005 - sechs Jahre nach dem ersten Schock - wurde ein Besucherrückgang von 17% zum Vorjahr verzeichnet (filmecho dossier) und setzte damit einen Rekord. Über die Ursachen gibt es unterschiedlichste Meinungen die vor allem davon abhängig sind wen man fragt. Die Studios machen die Filesharer verantwortlich, die Technologie Industry die Home Entertainment System welche ein Kinofeeling zu Hause erzeugen, Konsumforscher die unüberschaubaren verwirrenden Angebote an Filmen. Was sagen die Verbraucher selbst? Nun als wichtigster Punkt geben sie die schlechte Qualität der Filme an, gefolgt von einer jüngeren Demographie (iPod Generation) die etwas Neues sehen und neu stimuliert werden will - Kino ist nichts Besonderes mehr. Aus der Blickrichtung der Konsumenten wird Kino als langweiliges totes Medium empfunden welches nach dem technischen Zenit Ende der 1990er Jahre seinen Charme des Spektakulären verliert und Inhalt alleine scheinbar nicht überzeugen kann. In dem Buch "Expanded Cinema" aus dem Jahr 1970 gibt Gene Youngblood einen interessanten Ausblick der als einer Gründe für die aktuelle Krise gesehen werden könnte:

page 64 : "Commercial entertainment may be considered a closed system since entropy dominates the feedback process. To satisfy the profit motive the commercial entertainer must give the audience what it expects, which is conditional on what it has been getting, which is conditional on what it previously received, ad infinitum." Kinokultur ist also - bedingt durch Profitgier und Marktmacht - in einer Spirale gefangen die eine grundlegende Erneuerung von innen heraus verhindert und zu einem langsamen Kreativtod führt. Der Betrachter erwartet bestimmtes Entertainment welches er seit langem von der Filmindustrie gewohnt ist, diese wiederum möchte es dem Betrachter recht machen, Geld verdienen, versucht diesem nach dem Mund zu reden und verfeinert die Konzepte die so erfolgreich scheinen. Neues zu probieren ist zu riskant und so wird der Betrachter nicht weiter gefordert und die Kunst des Kinos dreht sich im Kreis.

Expanded Cinema page 72: The design of commercial entertainment is neither a science nor an art; it answers only to the common taste, the accepted vision, for fear of disturbing the viewer's reaction to the formula.

Der Drehbuchtheoretiker David Siegel hat sich mit der Struktur der Geschichten im modernen Hollywood beschäftigt und festgestellt, das 95% aller gewinnträchtigen Filme ein und die selbe "Two Goal, Nine Act" Struktur aufweisen([1]). Nachdem die "Single Goal" Struktur - wobei der Protagonist linear ein Ziel über die gesammte Länge des Films verfolgt - abgelöst wurde, ist die "Nine Act" Struktur mit einem "Goal Reversal" - also das eigendlich klare Ziel das der Protagonist verfolgt wird durch einen Umstand in der Mitte des Films zu einem neuen Ziel umgeformt - das Rezept aus dem die Filmträume sind. Jedoch ist dieses Konzept sehr durchschaubar und die Zuschauer fühlen sich zunehmend geistig unterfordert und gelangweilt - die mangelnde Reflektion und die Starre dieser riesigen Industrie Maschinerie lässt eine weite Debatte über die Struktur der Geschichten nicht zu und eine neue alles umwerfende Strukturtheorie kann man nur in Independent Produktionen beobachten - oder in einigen wenigen Nischenfilmen Hollywoods.

Expanded Cinema page 73: yet humanity still is impressed that a rich Hollywood studio can lug its Panavision cameras over the Alps and come back with pretty pictures.

Es scheint, daß das einzige was Zuschauer weiterhin in Schaaren in die Kino führt die Emotionen und die netten Bildern sind. Ein wenig spektakuläre Special FX hier, tolle hochauflösende Aufnahmen dort und ein bisschen Action eingesprenkelt scheint die modernen passiven Kinobesucher zu befriedigen. Von Inhalt und Geschichte kann man in den grossen Blockbustern selten sprechen. Wenn es doch einmal etwas wie Inhalt gibt ist dieser auf ein Maß des gemeinsamen Nenners zusammengeschrumpft, Fragen die einen länger als fünf Minuten nach dem Kinobesuch beschäftigen werden nicht aufgeworfen. Schnelle Schnitte, rasante Szenen großartige Bilder - eine Formel zunehmend die Geschichten verdrängt, interessanterweise eine Rückbesinnung auf die Anfänge des Kinos wo man durch das Bewegtbild an sich fasziniert war, bevor man dann versuchte das Theater zu kopieren.

John Cage: "Where beauty ends is where the artist begins."



expanded cinema page 79: We recognize television's negative effect on the popular arts: that it induces a kind of sedentary uniformity of expression and generates a false sense of creativity. In its broader consequences, however, television releases cinema from the umbilical of theatre and literature. It renders cinema obsolete as communicator of the objective human condition. It has affected cinema in much the same way as the invention of photography affected sculpture and painting. Cubism and other means of abstracting the realistic image were born with the photographic plate because painting no longer provided the most realistic images. The plastic arts abandoned exterior reality for interior reality. The same has happened to cinema as a result of television: movies no longer provide the most realistic images so they've turned inward.


hollywood = dinosaurier

Durch die immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung des Clubs, die dadurch immer weiter schrumpfende Aufmerksamkeitsspanne der Betrachter und dem festhalten der Künstler an bekannten Konzepten kann sich die Idee des VJing im heutigen Kontext nicht weiterentwickeln.

expanded cinema 103: Like all commercial entertainment, these films (Hollywood after 30 years of existence) were about something rather than being something, and so were the discotheques they imitated.

Die herangewachsene Clubgeneration sucht in neuen medialen Ideen nach aktiver Kommunikation statt der heute vorherrschenden passiven Isolation.

Durch das immer weitere Abflachen von Inhalten in heutigen Massenmedien fordert der moderne Betrachter von zukünftigen Medien zusätzlich zu starker Gestaltung auch relevante Inhalte


expanded ciname 130:

We shall find that ninety percent of all cinema in history cannot be viewed more than a couple of times and still remain interesting.

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