Kapitel Eins: Emanzipationsdrang des VJing und Sinnkrise des Kinos als Grundlage für ein "Event Based Cinema"

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Ein wichtiges, scheinbar erfolgreiches Film-Struktur-Konzept hat jedoch Hochkonjunktur und etabliert sich mehr und mehr - nichtlineare Zeitsprünge. Sie sind so alt wie Theorien über die Filmmontage selbst. Sie scheinen den Zuschauer geistig zu fordern und wenn man den Erfolgt von Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" und modernere Varianten wie "L.A. Crash" und "Domino" betrachtet, könnte man geneigt sein zu glauben, dass der Zeitsprung und eine gewisse Nicht-Linearität den Film bereichern und ihm neue Dimensionen verleihen - retten scheint diese neue Erzählweise das Kino auch nicht zu können - jedoch findet sie gerade in der jüngeren Generation viel Anklang. Ein wichtiges, scheinbar erfolgreiches Film-Struktur-Konzept hat jedoch Hochkonjunktur und etabliert sich mehr und mehr - nichtlineare Zeitsprünge. Sie sind so alt wie Theorien über die Filmmontage selbst. Sie scheinen den Zuschauer geistig zu fordern und wenn man den Erfolgt von Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" und modernere Varianten wie "L.A. Crash" und "Domino" betrachtet, könnte man geneigt sein zu glauben, dass der Zeitsprung und eine gewisse Nicht-Linearität den Film bereichern und ihm neue Dimensionen verleihen - retten scheint diese neue Erzählweise das Kino auch nicht zu können - jedoch findet sie gerade in der jüngeren Generation viel Anklang.
-Es scheint, dadd das Einzige, was Zuschauer weiterhin in Scharen in die Kinos führt, die Emotionen und die netten Bildern sind. Ein wenig spektakuläre Special FX hier, tolle hochauflösende Aufnahmen dort und ein bisschen Action eingesprenkelt scheint die modernen, passiven Kinobesucher zu befriedigen. Von Inhalt und Geschichte kann man in den grossen Blockbustern selten sprechen. Wenn es doch einmal etwas wie Inhalt gibt, ist dieser meistens auf ein "Maß des gemeinsamen Nenners" zusammengeschrumpft, Fragen, die einen länger als fünf Minuten nach dem Kinobesuch beschäftigen, werden nicht aufgeworfen. Schnelle Schnitte, rasante Szenen großartige Bilder - eine Formel, die zunehmend die Geschichten verdrängt, interessanterweise eine Rückbesinnung auf die Anfänge des Kinos wo man durch das Bewegtbild an sich fasziniert war, bevor man dann versuchte, das Theater zu kopieren. +Es scheint, dass das Einzige, was Zuschauer weiterhin in Scharen in die Kinos führt, die Emotionen und die netten Bildern sind. Ein wenig spektakuläre Special FX hier, tolle hochauflösende Aufnahmen dort und ein bisschen Action eingesprenkelt scheint die modernen, passiven Kinobesucher zu befriedigen. Von Inhalt und Geschichte kann man in den grossen Blockbustern selten sprechen. Wenn es doch einmal etwas wie Inhalt gibt, ist dieser meistens auf ein "Maß des gemeinsamen Nenners" zusammengeschrumpft, Fragen, die einen länger als fünf Minuten nach dem Kinobesuch beschäftigen, werden nicht aufgeworfen. Schnelle Schnitte, rasante Szenen großartige Bilder - eine Formel, die zunehmend die Geschichten verdrängt, interessanterweise eine Rückbesinnung auf die Anfänge des Kinos wo man durch das Bewegtbild an sich fasziniert war, bevor man dann versuchte, das Theater zu kopieren.
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Contents

Nichts scheint heutzutage so schnell wie Kommunikation und diese beruht auf den Medien - dem Zentrum der Kommunikation (v. lat.: medium = Mitte(lpunkt)). Die Menschen schmücken Medienkonzepte kunstvoll aus und formen durch sie Kunst im eigentlichen Sinne. Marshall McLuhan sagte "Das Medium ist die Botschaft" und verband Kunst, Nachricht und Transportmittel zu einem Ganzen. Doch wie auch McLuhan schon feststellte - Nachrichten altern schneller und schneller - mit ihnen scheint das jeweils tragende Medienkonzept zu vergreisen und sich zurückzuziehen, um Platz zu machen für etwas Neues, Schnelleres, Direkteres, Spontaneres, Verbindenderes. Auf Verfall folgt Entstehung - das Grundraster der Evolution. Jede Generation versucht, etwas zu verbessern, etwas zu verändern und jede Generation ist ein Experiment in sich. Ob etwas bestehen kann, hängt von den Gesetzen der Welt ab, in der es bestehen muss, und den Gründen für den Verfall der Vorgänger. Im Fall von Live Cinema gibt es zwei mediale Vorläufer, die aus verschiedenen Gründen zur Zeit dem Verfallsprozess ausgesetzt sind und damit einen nahrhaften Boden für einen Nachfolger bzw. einen evolutionären Abkömmling geben. Beide Medienkonzepte sind stark miteinander verwoben und haben einige wichtige Schnittpunkte - sowohl direkt in ihrer Geschichte als auch indirekt mit ihren technischen Hilfsmitteln, mit denen sie die Kommunikation ermöglichen. Ihre Entwicklung und der Grund ihres momentanen Verfalls scheint auf den ersten Blick fundamental verschieden, schaut man jedoch genauer hin, so finden sich Gemeinsamkeiten, die einen Rückschluss direkt auf die heutige Gesellschaft zulässt.

Die Kinokultur steckt offensichtlich in einer Finanz- und Wesenskrise und um auch in Zukunft relevant zu bleiben, muss sie nach zukunftsträchtigen Perspektiven Ausschau halten.

Relativ unerwartet kommt nach etwas mehr als 100 Jahren eine Branche und ihre Kunstform in eine Krise, die das Medienzeitalter anführte. Kino mit seinen finanziellen, künstlerischen, kulturellen und technologischen Auswüchsen galt lange Zeit als unverwundbar. Das Kino schien sich von Jahr zu Jahr von innen heraus erneuern zu können. Vom Stummfilm, zum Tonfilm zum Farbfilm zum Computeranimierten Special Effects Film, von der Jahrmarkt-Attraktion über feste Räume über Kinohäuser bis hin zu hochmodernen Multiplexen, vom Theaterkonzept zur Geschichte auf verschiedensten Ebenen und alle anderen Versuche auf diesem Medium gaben den Anlass zu glauben, dass es sich hier um ein unerschöpfliches Medienkonstrukt handelt welches mindestens genauso lange Bestand haben würde wie das gedruckte Buch. Dann etwa 1999 kam der große Schock. Nachdem die Kinowirtschaft so viele neue Multiplexe gebaut hatte und viele kleinere Kinos gerade renoviert und generalüberholt wurden, ging das erste Mal in der Geschichte des Kinos die Besucherzahl drastisch zurück. Was einige noch für einen kurzlebigen Trend hielten entpuppte sich als anhaltende Abwärtspirale. 2005 - sechs Jahre nach dem ersten Schock - wurde ein Besucherrückgang von 17% zum Vorjahr verzeichnet (filmecho dossier) und setzte damit einen Rekord. Selbst Hollywoods Größen scheinen ein Ende des Goldrausches Kino zu sehen. George Lucas - Regisseur von Star Wars - sagt zum Beispiel Ende 2005:

The market forces that exist today make it unrealistic to spend $200 million on a movie,"... Those movies can't make their money back anymore. Look at what happened with 'King Kong.

und plädiert darauf hin auf kleinere, billigere Independent Produktionen zu setzen. Ob diese mit einem Zehntel des Budgets ihrer grossen Brüder aber die Massen ins Kino locken können sei dahin gestellt - auf jeden Fall trägt so etwas zur Entwicklung von Sparten und Nischenkino bei, was wiederum zu weniger gebündelter medialer Aufmerksamkeit führt und damit zu weniger Interesse in der Gesellschaft am Kino generell.

Über die Ursachen des langsamen Niederganges gibt es unterschiedlichste Meinungen, die vor allem davon abhängig sind, wen man fragt. Die Studios machen die Filesharer verantwortlich, die Technologie-Industrie die Home Entertainment Systeme, welche ein Kinofeeling zu Hause erzeugen (in eigenem Interesse), Konsumforscher die unüberschaubaren, verwirrenden Angebote an Filmen. Was sagen die Verbraucher selbst? Nun als wichtigster Punkt geben sie die schlechte Qualität der Filme an, gefolgt von einer jüngeren Demographie (iPod Generation) die etwas Neues sehen und neu stimuliert werden will - Kino ist nichts Besonderes mehr. Aus der Blickrichtung der Konsumenten wird Kino als langweiliges totes Medium empfunden welches nach dem technischen Zenit Ende der 1990er Jahre seinen Charme des Spektakulären verliert und der dünne Inhalt alleine scheinbar nicht überzeugen kann. In dem Buch "Expanded Cinema" aus dem Jahr 1970 gibt Gene Youngblood einen interessanten Ausblick, der als einer der Gründe für die aktuelle Krise gesehen werden könnte:

page 64 : "Commercial entertainment may be considered a closed system since entropy dominates the feedback process. To satisfy the profit motive the commercial entertainer must give the audience what it expects, which is conditional on what it has been getting, which is conditional on what it previously received, ad infinitum."

Kinokultur ist also - bedingt durch Profitgier und Marktmacht - in einer Spirale gefangen, die eine grundlegende Erneuerung von innen heraus verhindert und zu einem langsamen Kreativtod führt. Der Betrachter erwartet bestimmtes Entertainment, welches er seit langem von der Filmindustrie gewohnt ist, diese wiederum möchte es dem Betrachter recht machen, Geld verdienen, versucht diesem nach dem Mund zu reden und verfeinert die Konzepte, die so erfolgreich scheinen. Neues zu probieren ist zu riskant und so wird der Betrachter nicht weiter gefordert und die Kunst des Kinos dreht sich im Kreis.


Expanded Cinema page 72: The design of commercial entertainment is neither a science nor an art; it answers only to the common taste, the accepted vision, for fear of disturbing the viewer's reaction to the formula.


Der Drehbuchtheoretiker David Siegel hat sich mit der Struktur der Geschichten im modernen Hollywood beschäftigt und festgestellt, das 95% aller gewinnträchtigen Filme ein und die selbe "Two Goal, Nine Act" Struktur aufweisen([1]). Nachdem die "Single Goal" Struktur - wobei der Protagonist linear ein Ziel über die gesamte Länge des Films verfolgt - abgelöst wurde, ist die "Nine Act" Struktur mit einem "Goal Reversal" - also das eigentlich klare Ziel, das der Protagonist verfolgt, wird durch einen Umstand in der Mitte des Films zu einem neuen Ziel umgeformt - das Rezept, aus dem die Filmträume sind. Jedoch ist dieses Konzept sehr durchschaubar und die Zuschauer fühlen sich zunehmend geistig unterfordert und gelangweilt - die mangelnde Reflexion und die Starre dieser riesigen Industrie Maschinerie lässt eine weite Debatte über die Struktur der Geschichten nicht zu und eine neue, alles umwerfende Strukturtheorie kann man nur in Independent Produktionen beobachten - oder in einigen wenigen Nischenfilmen Hollywoods. Bei aller Kritik an Hollywood muss man jedoch auch berücksichtigen, dass es eventuell sein könnte, dass man alles im klassischen Kino ausprobiert hat und man an einem Punkt angekommen ist, wo einfach die Möglichkeiten im Rahmen des normalen Kinos ausgeschöpft sein könnten.

Ein wichtiges, scheinbar erfolgreiches Film-Struktur-Konzept hat jedoch Hochkonjunktur und etabliert sich mehr und mehr - nichtlineare Zeitsprünge. Sie sind so alt wie Theorien über die Filmmontage selbst. Sie scheinen den Zuschauer geistig zu fordern und wenn man den Erfolgt von Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" und modernere Varianten wie "L.A. Crash" und "Domino" betrachtet, könnte man geneigt sein zu glauben, dass der Zeitsprung und eine gewisse Nicht-Linearität den Film bereichern und ihm neue Dimensionen verleihen - retten scheint diese neue Erzählweise das Kino auch nicht zu können - jedoch findet sie gerade in der jüngeren Generation viel Anklang.

Es scheint, dass das Einzige, was Zuschauer weiterhin in Scharen in die Kinos führt, die Emotionen und die netten Bildern sind. Ein wenig spektakuläre Special FX hier, tolle hochauflösende Aufnahmen dort und ein bisschen Action eingesprenkelt scheint die modernen, passiven Kinobesucher zu befriedigen. Von Inhalt und Geschichte kann man in den grossen Blockbustern selten sprechen. Wenn es doch einmal etwas wie Inhalt gibt, ist dieser meistens auf ein "Maß des gemeinsamen Nenners" zusammengeschrumpft, Fragen, die einen länger als fünf Minuten nach dem Kinobesuch beschäftigen, werden nicht aufgeworfen. Schnelle Schnitte, rasante Szenen großartige Bilder - eine Formel, die zunehmend die Geschichten verdrängt, interessanterweise eine Rückbesinnung auf die Anfänge des Kinos wo man durch das Bewegtbild an sich fasziniert war, bevor man dann versuchte, das Theater zu kopieren.

Expanded Cinema page 73: yet humanity still is impressed that a rich Hollywood studio can lug its Panavision cameras over the Alps and come back with pretty pictures.

Mit zunehmenden Fortschritt wird aber auch diese Domaine des Kinos in Bedrängnis geraten. Homeentertainment Systeme sind heute schon für viele Ersatz für das Kino geworden und an einem Punkt wo Computerspiele mit ihren hochauflösenden 3D Grafiken langsam Hollywoods Domäne der schönen spektakulären Bilder Konkurrenz machen, (bild von GrandTheftAuto Sonnenuntergang finden!!) ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Zielgruppe, die sich von inhaltloser Action und rasanten Bildern angezogen fühlt, eher auf eine aktive Rolle beim Computerspielen einlässt als passiv in der Dunkelkammer Kino zu sitzen. 2004 hat erstmals die Computerspiele Industrie [2] Hollywood beim Umsatz überholt, die technische Innovation bei Echtzeitgrafik schreitet unaufhaltsam fort und die Spielekonzepte sind noch bei weitem nicht ausgereizt, sodass hier ein kreativ Markt existiert, der durch Innovation glänzt - ganz im Gegensatz zum populären Kino.

Andere Probleme wie "zu hohe Eintrittspreise", anonyme, sterile Multiplex Kinos, Kriminalsierungskampagnen gegen "Raubkopierer" die von Spots, die keiner sehen will, bis zum Durchsuchen von privatem Gepäck vor den Kinos reichen und das gesellschaftliche Problem der knappen Freizeit eines Individuums uvm. scheinen in diesem Licht nicht die Hauptgründe für die sinkende Besucherzahl zu sein, aber tragen bestimmt dazu bei, den Untergang der Kinokultur zu beschleunigen.

Man sollte jedoch nicht denken, dass Hollywood seinem eigenen Untergang tatenlos zusieht. Es wird alles probiert, um eine neue Formel zu finden, mit der man Zuschauer in die Kinos locken und an sich binden kann. Warner Brothers hat sogar eine "Independent Film Devision" ins Leben gerufen, um massenuntaugliche Konzepte auszuprobieren - neuestes Beispiel ist der mit Hand nachgezeichnete "Scanner Darkly". Weit aus dem Fenster lehnt man sich - ausser dass man ein aktuell gesellschaftskritisches Thema mit einem interessanten optischen Stil vermischt - aber auch hier nicht - die "Two Goal Nine Act" Struktur dominiert und lässt die Handlung durchschaubar werden.

Zusammengefasst kann man sagen, dass sich die Kino- und Kinofilmkrise durch äußere und innere Faktoren materialisiert. Von außen gibt es technologische Innovation, die den Gang ins Kino überflüssig machen will, gesellschaftliche Faktoren (medialer Overload, Stress, Geld etc), Konkurrenz durch andere Medien (vor allem Computerspiele), kein gutes Ambiente in den modernen Kinosälen, zu viel Werbung für wirklich schlechte Filme, zu viele Kopien, zu viele gleichzeitige Filmstarts. Die erfolgreichen Wochen im Kinoleben zeigen aber, dass diese äußeren Faktoren nur einen Beschleunigungsfaktor darstellen und nicht die Ursache der Kinokrise selbst sind. Auch gibt es einen wichtigen Indikator, dass äußere Faktoren selbst nicht die Ursache sein können - das Fernsehen.

Als klar wurde, dass das Fernsehen die Massen im Sturm erobern würde, wurde das Kino theoretisch schon begraben. Viele "Experten" waren sich einig, dass das Fernsehen in der Popularität dem Kino seinen Rang ablaufen würde und dass dies das Aus bedeutet. Im ersten Punkt lagen die Theoretiker richtig - das Fernsehen hat sicherlich auch die größten Erwartungen von damals überschritten - aber das Kino wuchs trotzdem ungehemmt noch weitere 50 Jahre. Das Interesse am Erlebnis "Kino" ist durchaus vorhanden. Es scheinen also gerade die inneren Faktoren ausschlaggebend für das Desinteresse am Medium und Erlebnis Kino. Die Fließbandproduktion, das Geschichtenschreiben nach Formeln und die generelle Angst der Filmemacher und des Publikums vor neuen, experimentellen, anspruchsvolleren Formaten haben eine Spirale des Unterganges in Gang gesetzt und nähren diese unaufhaltsam.

Aus dieser Analyse treten aber einige Aspekte hervor, die das Kino weiterhin für viele Zuschauer interessant machen (würden). Emotionen, schöne Bilder, beeindruckende Action und gute, hintergründige Stories scheinen das Interesse zumindest teilweise weiterhin zu wecken.

[3] Hitchcock knew why people are drawn to a darkened theater to absorb themselves for hours with images on a screen. They do it to have fun. In the same way people go to a roller coaster to get thrown around at high speeds, theater audiences know they are safe. As a film director you can throw things at them, hurl them off a cliff, or pull them into a dangerous love story, and they know that nothing will happen to them. They're confident that they'll be able to walk out the exit when its done and resume their normal lives. And, the more fun they have, the quicker they will come back begging for more.


Dabei sind vor allem die Emotionen in Verbindung mit einer tiefgründigeren Geschichte ausschlaggebend für einen Kassenschlager.

Interessant ist außerdem, dass ausgerechnet nicht-lineare Stories sich als zukunftweisende Struktur erweisen und vom modernen Publikum angenommen werden -- ein für Live Cinema strukturelles Grundelement.


John Cage: "Where beauty ends is where the artist begins."



nicht benutzte Zitate:


expanded cinema page 79: We recognize television's negative effect on the popular arts: that it induces a kind of sedentary uniformity of expression and generates a false sense of creativity. In its broader consequences, however, television releases cinema from the umbilical of theatre and literature. It renders cinema obsolete as communicator of the objective human condition. It has affected cinema in much the same way as the invention of photography affected sculpture and painting. Cubism and other means of abstracting the realistic image were born with the photographic plate because painting no longer provided the most realistic images. The plastic arts abandoned exterior reality for interior reality. The same has happened to cinema as a result of television: movies no longer provide the most realistic images so they've turned inward.



Durch die immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung des Clubs, die dadurch immer weiter schrumpfende Aufmerksamkeitsspanne der Betrachter und dem Festhalten der Künstler an bekannten Konzepten kann sich die Idee des VJing im heutigen Kontext nicht weiterentwickeln.

Parallel zum Kino entwickelte sich schon seit langem eine Kunstrichtung, die wie das Kino auch die Projektionsfläche als Trägermedium einsetzt. VJing, Live Visuals, Color Musik Synästetische Kunst - wie auch immer man es nennen mag, die Geschichte des Menschen hat seit Anbeginn eine Symbiose aus Ton und Bild gesucht. Jüngste Forschungen ergaben, dass schon die Bilder in den Höhlen der französischen Pyrenäen unter dem Klang von primitiven Trommeln und dem Gesang der Höhlenmenschen anstanden. Über zweitausend Jahre versuchten die Menschen, eine tiefere Verbindung zwischen Musik und Bild zu finden. Von den theoretischen Ansätzen einer Farb-Musik der Griechen 350 v. Chr. über deren weitere philosophische Untersuchung durch Athanasius Kircher um 1646, die physikalische Aufarbeitung durch Isaac Newton 1704, die ersten praktischen Versuche von Loius Bertrand Castel 1743 und Bainbridge Bishop 1875 und den abschliessenden Farb-Musik-Kongress 1936 können die reinen Farbzuweisungen eindeutig nicht als alleiniges Merkmal für das unterbewusste Sehen von Musik gelten - was auch schon Rousseau und Goethe im 18. Jahrhundert bestätigten. Wie unterschiedlich diese und weitere Ansätze dieser Untersuchung sind, zeigt eine Tabelle, die jeden der Versuche auflistet und gegeneinander stellt. Aus dieser Tabelle wird klar: die eindeutige Zuordnung ist ein Mythos. Obwohl viele der Künstler und Wissenschaftler mit den gleichen Grundsteinen anfingen, die sie bei Isaac Newton und Loius Bertrand Castel fanden, weichen alle so stark voneinander ab, dass sich nicht einmal bei drei Noten - C E und A# - eine eventuelle Gemeinsamkeit erkennen lässt. Die physikalisch-mathematischen Grundlagen wurden bei den meisten Theorien durch innere Gefühle widerlegt, was selbst bei den Zuordnungen zu sehen ist. Sie lehnen sich stark an Isaac Newtons Theorien. Zum Beispiel stellte Scriabin fest, dass er sich bei "einzelnen" Noten mit den Musiker Kollegen, mit denen er im Dialog über seine Theorien stand, mit der Zuordnung nicht auf eine Farbe einigen konnte. Er befand, dass es stark von der Prägung des Einzelnen abhing, ob ein C nun Grün oder Blau gesehen wurde. Er selbst konnte sogar ausmachen, dass seine Zuordnung auf ein Erlebnis "von Glocken einer Kirche auf einer grünen Wiese" in seiner Kindheit zurückging. So ist diese individuelle Prägung wohl mitverantwortlich für die unterschiedlichsten Auffassungen von Farb-Musik-Zuordnungen durch die Geschichte hinweg. Viele wichtige Forscher und Künstler haben trotz ihrer Leidenschaft für die Farbmusik immer wieder klar gemacht, dass es keine eindeutige Zuordnung von Ton zu Farbe geben kann. Einige der Pioniere waren anfangs enthusiastisch und dachten, sie hätten etwas Bahnbrechendes entdeckt. Jedoch mussten die meisten später einsehen, dass die Zuordnung, welche sie für eindeutig erklärt hatten, in einem größeren Testrahmen nicht standhielt. So hatte Newton auch schon in seinem später noch oft als "Beweis" rezitierten Bericht geschrieben, dass sich das Verstehen eines Zusammenhangs zwischen Musik und Farbe nicht beweisen lässt. Auch wenn rein physikalisch gesehen beides aus einem Wellenspektrum besteht. Thomas Wilfred ging sogar soweit zu behaupten, dass die Lichtkunst allein steht als Kunst bzw. nur ein Zusatz zu Musik sein kann und diese nicht ersetzt oder mit ihr auf einer Stufe stehen kann. Einige neuere Forschung versucht, die Fehler in der Farb-Musik-Theorie zu berücksichtigen und andere Eigenschaften von Musik und Farbe zuzuordnen. 1986 geht der Designer, Typograph und Künstler Karl Gerstner in seinem Buch "Die Formen der Farbe" einen bis dahin weitgehend unbeachteten Ansatz nach:

"Wir sind daran gewöhnt, das Dunkel-farbene als Tief-tönendes zu sehen, das Licht als Hohes.(...) Und dunkle und helle Farben haben tatsächlich einen Effekt, welcher vergleichbar ist mit tiefen und hohen musikalischen Noten. Dunkle Farben sind volltönend, kraftvoll, gewaltig wie tiefe Töne. Aber helle Farben, wie die der Impressionisten, sind, wenn sie allein ein ganzes Werk ausmachen, wie die Magie hoher Stimmen: fließend, leicht, jung, sorglos und wahrscheinlich auch kühl."

Also sollen tiefe Töne dunkle Farben und hohe Töne helle Farben erzeugen. Im Gegensatz zu den "alten" Theorien wird also nur die Helligkeit als Farbveränderung genommen. Desweiteren stellt er fest:

"Als eine Regel gilt, reine fluoreszierende Farben sind laut. Stille, das heißt, gebrochene Farben, mit einem hohen Anteil von Schwarz und Weiß, sind sanft. Man kann auch sagen, es gibt eine Parallele zwischen Lautstärke und Farbreinheit."

Je intensiver eine Farbe ist, desto lauter soll der Ton sein. Warum aber die Helligkeit nicht abhängig von der Lautstärke ist, oder die Farbintensität von der Tonhöhe, bleibt er dem Leser schuldig und widerlegt damit selbst seine eindeutigen Theorien und schließt sich damit der reinen Farbwert-Zuordnung an.

Durch die Erforschung von Rhythmik, Kontrast und Form im Zusammenhang mit Bildmusik bei Vladimir Kandinsky´s Werken, den ersten abstrakten Filmen von Hans Richter und den experimentellen Clavilux Gerät von Thomas Wilfred kam eine weitere Dimension in dieser Kunst hinzu. Dieser Aspekt war zunächst erfolgversprechend und auch einer der einzigen nachweisbaren Effekte bei echten Synästhesie-Patienten.

"Karowski und Odbert (1938) entdeckten eine systematische Beziehung zwischen den Formen der synästhetischen visuellen Form und dem Tempo der Musik. Je schneller die Musik, desto spitzer und eckiger wird das optische Bild." Lawrence E. Marks, The Unity of the Senses 1978

Aber auch hier ist die Magie noch nicht entzaubert. Die unendlichen Formen und rhythmischen Gebilde sind für eine Zeit recht nett anzuschauen. Schnell werden sie aber langweilig und sobald man ein Konzept oder ein zugrunde liegendes System entdeckt, wird das Resultat vorhersagbar. Ähnlich ergeht es der physikalisch und elektrisch sichtbar gemachten Musik. Das Oszilloscop, zuerst benutzt von Marry Ellen-Bute, und dann mit Videosynthesizern wie zum Beispiel Bill Hearns Vidium weiterentwickelt und mit heutiger "generativer Software" verfeinert, besitzt die Fähigkeit, in die sinusförmigen Kurven der Musik einen Einblick zu gewähren. Das Bild, das sie liefern, ist sowohl als eine Erweiterung der Rhythmik-, Kontrast- und Form-Theorie als auch der Farb-Musik zu sehen. Es ist immer eine "perfekte" Übersetzung und darin liegt auch die Schwäche - ein modernes Technolied hat immer ein ähnliches Grundgefühl wie ein Minnesang des Mittelalters - lediglich "zappelt" das Bild weniger - aber sieht immer ähnlich aus. Dies ist sehr gut in den Visualisierungserweiterungen der heute gängigen Musikabspielprogamme zu beobachten. Auch wenn die Linien und Formen sich zu verschiedener Musik anders bewegen, verschiedene Geschwindigkeiten aufweisen, weniger oder stark gezackt sind und die Farben ebenfalls fundamental differieren, so fällt das Konstrukt spätestens dann zusammen, wenn man zwei grundsätzlich verschiedene Musikrichtungen hintereinander betrachtet. Das Gefühl scheint nicht zu stimmen - man kann die Bilder nicht mehr so recht der Musik zuordnen - irgendwie tief im Inneren ist im Gegensatz zur differenzierten Musik der optische Eindruck zu homogen, viel besser als alle vorherigen Ansätze, doch immer noch nicht der heilige Gral. Die Pioniere Walter Ruttmann, Oskar Fischinger und Nam June Paik legen zu den oben genannten Theorien noch die Ebene "Bildinhalt" und - wie später auch Peter Rubin - zum Teil auch die Narrative- bzw. Informations-Vermittlung dazu. Betrachtet man einige Werke dieser Künstler, bekommt die Musik selbst auf einmal eine ganz neue Dimension - sie erzählt, leidet, tanzt - die Bilder selbst stehen durch die Musik in einem eigenen Kontext. Keiner der Künstler hat aber jemals gesagt, "die Note C muss ein Baum, A ein Haus sein", sondern sind in ihrer Interpretation frei und die Inhalte sind so divers wie Musik divers sein kann. So gibt es - nach allen Bestrebungen, eine mathematische Formel zu finden oder eine Universallösung, wonach Farben, Formen bzw. Licht im generellen Sinne zu Musik, Notationen oder Tönen im Ganzen zugeordnet werden können - eine Auffassung, die wohl am besten dazu geeignet ist, die immer fortwährende Suche zu erklären. Jedoch ist dies keine definitive Lösung. Nichts, woran man sich festhalten kann. Es ist die Lösung der Kunst, ein immer fortwährendes spannendes Finden von Harmonien und Emotionen. Goethe schrieb in seiner "Theorie der Farben":

"Sie sind wie zwei Flüsse, die ihren Ursprung in ein und demselben Berg haben, aber nach und nach verfolgen sie ihren Weg unter vollkommen verschiedenen Bedingungen, in zwei vollständig verschiedenen Regionen, so dass während des gesamten Verlaufs der beiden keine zwei Punkte verglichen werden können."

Es scheint sich um ein höheres Gesetz zu handeln, nichts mathematisches, was beides auf einer ästhetischen Ebene zusammenbringt. Auch die physikalische Erklärung der Wellen ist unzureichend. Aber dennoch gibt es eine Verbindung, gibt es den Drang, die Bilder des Lichts mit den Tönen und Rhythmen der Musik in inneren Einklang zu bringen. Es scheint etwas zu sein, was jenseits synästhetischer Wahrnehmungen einiger Auserwählter liegt, etwas, das alle betrifft, jedoch niemand wirklich fassen kann, etwas was uns berührt, bewegt, motiviert und zu einer erfüllteren Sinnerfahrung bringt. Es ist etwas, was auch schon die Höhlenmaler, die in ihren mit Gesängen und Rhythmus gefüllten Höhlen vor 20.000 Jahren Geschichten aus ihrer Umgebung an die Wände malten, Plato und Aristoteles in ihren rauscherfüllten Orakeln und die Tanzenden in jenem Gebäude der East-India-Company 1897 im Unterbewusstsein erfuhren.

Nicht nur die Musik, die das Bild beeinflusst, sondern auch die Bilder, die Musik beeinflussen, erzählen zusammen eine Geschichte der Gefühle.

Doch so schön sich das in der Theorie anhört sieht die Praxis leider wesentlich anders aus. In einem Artikel der TAZ - ketzerisch mit Titel einer Punk Compilation "Hang The VJ" tituliert - wird deutlich - Synästethische Visuals in den Clubs sind nichts mehr als besseres Bühnenlicht - also an dem Punkt angekommen, wo auch die missverstandene Farbmusik verschwunden ist. "Zu hell", "zu hell", "ist doch nur flicker flacker", "zu hell", "schaut doch sowieso niemand hin" und "kannst du mal ne andere Platte spielen" sind die Kommentare, die ein aktiver VJ immer wieder zu hören bekommt. Selten ist jemand dabei, der sich ehrlich dafür interessiert was auf der Leinwand zu sehen ist.

Aus diesem Magazin dessen Namen ich vergessen habe, irgendwo auf Seite 177 cyberspace, echtzeit 20sec webcasting: "die tänzer & besucher möchten nicht in helles licht getaucht werden ... diese extra lichtquellen zerstören außerdem den virtuellem raum im club. der besucher bleibt zugunsten des virtuellen raumes und zugunsten der tanzbarkeit im dunkeln."

Die Gründe dafür sind vielfältig. So ist der normale Clubbesucher vor allem wegen des Spaßes vor Ort. Er will sich nicht konzentrieren und vor allem tanzen, und sich durch verschiedenste Maßnahmen von der Realität abkoppeln. Über flickernde Bilder an der Wand will er nicht nachdenken, wenn es zu hell ist, wird er aus seiner virtuellen Umgebung gerissen. Den Clubs selbst kann es nur recht sein. Waren diese Örtlichkeiten am Anfang der 90er Jahre noch Ausdruck von zivilen Ungehorsam, Umschlagplätze für Subkultur und vor allem Treffpunkte für das gemeinsame Gestalten einer alternativen Zukunft, so kann man heute sagen, dass sie fast ausschliesslich zu Konsumtempeln geworden sind. Die Profitmaximierungsmaßnahmen und die Kooperation mit der Musikindustrie haben zu einem Aussterben der einstigen Ideale geführt. An ihre Stelle sind der "Gott DJ" und eine Fließbandarbeit der Angestellten getreten. Kunst wird nur unterstützt, wenn es der Promotion hilft - alle im Club, die keinen Plattenkoffer oder musikalisches Gerät mit sich führen, sind Techniker - der VJ eingeschlossen. Was gezeigt wird, darf im maximalen Fall die Musik unterstützen, darf aber auf keinen Fall mit ihr gleichgesetzt werden oder sie gar dominieren. Der VJ bekommt meist weniger Geld als der Lichtoperator und wird - was weitaus schlimmer ist - meistens auch so behandelt. Diese Erfahrung bringt zwei Reaktionen hervor. Zum einen verabschiedet sich die ältere Generation der Laptop VJ Generation mehr und mehr aus den Clubs, um einem profitableren, stressfreieren Leben nachzugehen. Die jüngere Generation ist aber mehr interessiert an dem "Machtgefühl" und der Technologie als einem Fortschritt der Kunst - und so sieht man trotz immer ausgereifterer Technik noch das gleiche, inhaltslose Flicker Flacker - nur in besserer Qualität und höherer Auflösung.

<Zitat von Peter Rubin>

In diesem Licht betrachtet scheint es nicht weiter verwunderlich, dass trotz eines stärker werdenden Medienhypes in den letzten Jahren sich kaum ein Clubbesucher wirklich für die angebotenen Bilder interessiert. Macht steht über Inhalt. Tanzende Frauen und unendliche Experimente in abstrakten - meist automatisch generierten - Formen dominieren das Bild - dies wurde bereits um Längen besser durch die Künstler in der Mitte des letztens Jahrhundert untersucht und es hat sich nicht durch die oben genannten Gründe nicht etablieren lassen. Die Clubbesitzer freut es, da sie nicht noch "so einen Künstler" bezahlen müssen, die Musikverwertungsindustrie freut es, da sich weiterhin alles um den DJ dreht und die mediale Aufmerksamkeit nicht von einem V,J den man nicht kontrolliert, abgelenkt wird. Die VJs verlieren die Lust und müssen ihre rare Zeit mit anderen Verdienstmöglichkeiten überbrücken. Auch hier eine Spirale, die sich immer weiter nach unten dreht - nur diesmal weit ab von medialer Aufmerksamkeit. Es gibt einige wenige Gruppen weitab vom Rampenlicht, die sich selbst unterstützen und das Forschen im Bereich Synästetischer Kunst nicht aufgegeben haben. Ihre eigenen "Happenings" unterscheiden sich deutlich von den kommerziellen Clubs der Neuzeit und sie zeigen auch "turn on, tune in, drop out" nicht unbedingt die endgültige Bestimmung der Clubkultur ist und sich Visuals sehr wohl konzeptionell in einen Clubabend einbauen lassen. (AVIT, VisualBerlin bilder und eventuell zitate.). Im hart umkämpften Musikmarkt ist dies aber nicht abzusehen und es werden weiterhin hoch talentierte, visuelle Artisten verschlissen, was zu einem langsamen Exodus und "brain drain" der Szene führt. Der Betrachter wird dies an einer gleichbleibend einfach zu vernachlässigenden, visuellen Tapete erkennen, die rhythmisch ab und zu mal zum Beat zuckt und im maximal Fall auch die Stimmung der Musik wiedergibt - grundlegend jedoch irrelevant bleibt.

<Nochmal Emphasis auf Geschichte und Emanzipation der VJs aber auch dem Festhalten an alten Konzepten>


expanded cinema 103: Like all commercial entertainment, these films (Hollywood after 30 years of existence) were about something rather than being something, and so were the discotheques they imitated.

Die herangewachsene Clubgeneration ist treibende Kraft für die neuen medialen Ideen und sucht nach aktiver Kommunikation statt der heute vorherrschenden, passiven Isolation.

Fern ab von Medientheorien ist ein ganz anderer Umbruch der Gesellschaft zu beobachten - die wieder auflebende Zuwendung zum Leben in der Gemeinschaft. Während man sich in den 1990er Jahren noch abwandte von anderen Menschen, die Clubs bevölkert waren von in sich hineintanzenden Menschen, Fernsehen und Computerspiele schnell zur Vereinsamung führten und der absolute Individualismus hoch gepriesen wurde, ist seit einigen Jahren eine Trendwende zu beobachten. Es sind gerade Aktivitäten, die eine aktive Gemeinschaft erzeugen, die heute auf dem Vormarsch sind. Das meist verkaufte Spiel aller Zeiten ist nun World of Warcraft - ein Multiuser Online Rollenspiel, bei dem eine aktive Gruppendynamik erforderlich ist, um im Spiel erfolgreich zu sein. Das Internet selbst rühmt sich heute als "Web 2.0" und setzt voll und ganz auf Partizipation und Kommunenbildung. Blogs, Wikis und Foren sind prall gefüllt mit Aktivisten sämtlicher Couleur. Partizipatorische Events, wie die "Fusion" oder "The Burning Man Experience", bei denen die "Gäste" das Fest mitgestalten <Bilder von Fusion und Burning Man> und damit auch eine Meinung ausdrücken, haben ein exponentielles Wachstum zu verzeichnen. Die Welt ist aktiv, mobil und kommunikationsfreudig geworden und kein Teil der westlichen - und zunehmend auch östlichen und südlichen - Welt bleibt davon verschont. Während die Clubgeneration aus den 90er Jahren eine der treibenden Kräfte hinter diesem Wandel war, ist heutzutage keine Bevölkerungsschicht davon verschont geblieben. Die passive Gesellschaft ist noch vorherrschend und man schaut lieber einmal ein bisschen Fernsehen als der Wikipedia einen neuen Artikel über seinen Heimatort zu gönnen oder den Nachbarn zu besuchen, doch es gibt viele Anzeichen, dass sich diese passive Art des Lebens langsam überholt. Dem Fernsehen geht es wie dem Kino vor ein paar Jahren - die Anzeichen in den Statistiken weisen unübersehbar darauf hin, dass auch hier eine Talfahrt im Gange ist - eindeutig ist der Trend hier zum bidirektionalen Medienkonsum - also aktiven Mitmachen. Soziale Netzwerke wie MySpace, Flickr, Orkut etc. im Internet fangen diesen neuen Trend auf und haben täglich hunderttausende neuer Benutzer.

< Statistiken Blog Wachstum, Wikipedia Wachstum, MySpace Wachstum, TV Untergang>

Dabei fällt ins Auge, dass die Kinokultur vor allem passiv geprägt ist. Zwar sitzt man mit hundert Leuten in einem Kino, ein Gespräch mit Fremden kommt aber eher selten zustande - eigentlich ist ein normaler Kinobesuch sogar noch passiver als Fernsehen - dort gibt es wenigstens Werbepausen, in denen man noch die Chance hat, sich zu unterhalten - beim Kino beschränkt sich das meist auf fünf Minuten danach auf dem Weg nach Hause - 98% der Zeit verbringt man in einem stockfinsteren Raum und ist gezwungen, absolut ruhig zu sein, aktive kommunikative Rollen sind nicht vorgesehen.

Der immer größer werdende zeitliche Druck durch mehr Arbeit und eine unüberschaubare Menge an angebotenen Aktivitäten zwingt den Menschen zu Entscheidungen. Der so geplagte Mensch muss kreativ seine wenigen Stunden Freizeit einteilen. Hinzu kommt, dass der Arbeitsalltag, der sich auflösende Familienzusammenhalt und die Anonymität der stetig wachsenden Großstädte ein Gefühl des "Alleine Seins" hervorrufen - sicherlich die wichtigsten Gründe für die einsetzende Suche nach Gemeinschaft und aktiver Partizipation.

Die Kreativ-Generation, die in den anfänglich grundsätzlich anders angelegten Clubs der frühen 90er Jahre groß geworden ist und das diversifizierte Medienumfeld beherrschen gelernt hat, ist hier der eindeutige Trendsetter wie in vielen anderen Bereichen auch, aber das Phänomen aktiver Partizipation ist heute auch in der letzten demographischen Schicht angekommen und wird sicherlich die Zukunft stark beeinflussen. Das hat nun vor allem auf Freizeitaktivitäten Einfluss, die ein solches Moment nicht bedienen können oder wollen. Kino ist von tiefgreifendem, passivem Konsum geprägt und riskiert damit den Verlust seiner Existenzberechtigung in der nahen Zukunft. Ein Event-basiertes Kino kann hier ein wenig an Interaktion zurückgeben, indem es dem Publikum während einer Performance lockere Kommunikation ermöglicht, die Fantasie anregt und für Gesprächsstoff sorgt.

Durch das immer weitere Abflachen von Inhalten in heutigen Massenmedien fordert der moderne Betrachter von zukünftigen Medien zusätzlich zu starker Gestaltung auch relevante Inhalte

expanded cinema 130: We shall find that ninety percent of all cinema in history cannot be viewed more than a couple of times and still remain interesting.

Das Medium in jeglicher Form als Mittelpunkt von Kommunikation nimmt vor allem deswegen einen wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft ein, weil es ursprünglich eine Meinung oder Idee propagiert hat. Diese Funktion des Mediums wurde im Laufe der Zeit noch um Gefühlsvermittlung bzw. Gefühlsersatz erweitert, um eine bessere oder interessantere Art der Wissensvermittlung zu erschaffen. Jedoch übersteigt die Bedeutsamkeit dieses Parts heute in fast allen Medien in seiner Wichtigkeit den ursprünglichen Zweck der Informationsvermittlung. Durch die Virtualisierung des Lebens in der Informationsgesellschaft ist dieser Trend durchaus verständlich. Direkter Kontakt mit anderen Menschen und der Natur wird immer seltener. Kommunikation spielt sich körperlos, entrückt über Telefon und E-Mail ab. Smileys in Instant Messenger Programmen ersetzen hoch komplexe Gefühlsregungen in den Gesichtern anderer Menschen. Es wird versucht, Schmerz und Furcht vollkommen zu kontrollieren. Die Menschen probieren, diesen Gefühlsverlust virtuell auszugleichen, indem sie sich einen Medienkonsum hingeben, der ihnen diese Gefühle frei Haus liefert und keinerlei Nebenwirkungen mit sich bringt. Diese Realisation zusammen mit einer auf maximalen Profit ausgerichteten Wirtschaft hat im Kino, im Club sowie in anderen Massenmedien fatale Konsequenzen. Wie bereits oben beschrieben dreht sich im Club alles nur darum, den Kunden ein Erlebnis zu bieten, welches fernab von der Realität stattfindet. Die Vermittlung des energetischen Glücksgefühls hat sämtliche sozial relevanten Aussagen, die aus dieser Kultur (oder dem Medium Club) kamen, im Keim erstickt. Im Kino ist dieser Trend jedoch noch deutlicher sichtbar. Während noch in den 70er Jahren Filme mit politischer oder gesellschaftlicher Brisanz einem Massenpublikum vorgestellt wurden, oder wenigstens versuchten, mit experimentellen Konzepten die Fantasie anzuregen, so gibt es heutzutage aus den großen Produktionsstudios gar keine Produkte mehr, die in irgendeiner Weise eine Debatte erzeugen oder das Gehirn fordern. Action, Liebe, Sex, Horror verpackt in eindrucksvollen Aufnahmen und atemberaubenden Special Effects - so kann man den heutigen Hollywood Film charakterisieren. Einfache Gefühle in einer schicken Hülle. Filme, die ein Thema mit Brisanz behandeln - wie zum Beispiel der kürzlich veröffentliche "Da Vinci Code" - kochen die heikle Materie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammen, um ja kein Publikum zu vergraulen - übrig bleibt eine mehr oder weniger gut erzählte Geschichte und Emotion über die danach keiner länger als fünf Minuten nachdenkt. Auf die Möglichkeit, sich durch Medienkonsum weiterzubilden, muss man bis auf ein paar wenige Spartenkanäle im Fernsehen vollends verzichten. Kinder werden schon in jungen Jahren vor den Fernseher gesetzt, damit der zwischenmenschlichen Gefühlsvermittlung beraubt und werden somit von klein auf an die virtuellen Gefühle gewöhnt. Die Aussage von Diedrich Diederichsen: "Pop ist das einzige Massenmedium, wo man trotz Zensur immer wieder vor einem Massenpublikum radikale Positionen vertreten kann." (Kunst und Forum) mag richtig sein, jedoch fehlen heute der Popkultur jedwede radikale Tendenzen. Selbst im modernen deutschen "Aggro HipHop" - der wohl radikalsten populären Strömung der Popkultur in den letzten 10 Jahren - geht es um eine Gefühlsvermittlung ohne inhaltliche Relevanz. Es geht um Hass und Sex - zwei Gefühle - das warum oder weshalb wird kaum thematisiert und interessiert die Zuhörer auch reichlich wenig. Sie wollen die Energie und die Möglichkeit der Gefühlsentfaltung. Um in der freien Marktwirtschaft zu bestehen, sorgen die alles beherrschenden Medienkonzerne für eine Gewinnmaximierung, die sie vor allem durch das Erreichen großer Massen an Menschen erzielen. Das Erzeugen von virtuellen Gefühlen hat sich dabei (vorläufig) als wesentlich erfolgreicher herausgestellt als die Wissensvermittlung, das Vertreten von polarisierenden Positionen oder die Verbreitung von revolutionären Ideen. Auch wenn die gesellschaftliche Ausrichtung für diese Entwicklung sprechen, so zeigt uns das Internet, dass Menschen nach wie vor sehr interessiert an der Informations- und Ideenvermittlung sind - ja sogar bereit sind, eine aktive Rolle zu deren Verbreitung einzunehmen. Der Trend zum aktiven "Web 2.0" veranschaulicht, dass die Kommunikation und der Erfahrungsaustausch untereinander das Informationsdefizit der von Massenmedien geprägten Gesellschaft auszugleichen versucht. Es scheinen gerade die Projekte erfolgreich, die mehr auf Inhalt als auf Aussehen setzten - die Verpackung wird irrelevant, wenn die transportierte Message fundiert ist. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Besucherrückgang der Kinos wieder. Es scheint, als wolle der moderne Mensch seine wenige Freizeit doch mit Informationsaufnahme und damit der Weiterentwicklung seiner selbst füllen, als von einem virtuellen Adrenalin- und kontrollierten Hormonrausch zum nächsten zu stolpern, um danach den Tag genauso leer wie vorher weiterzuleben. Es sind bei weitem nicht alle Menschen darauf eingestellt, sich von ihrer Abhängigkeit nach virtuellen Gefühlen zu lösen, aber der Trend ist eindeutig und wird sich im Zuge der Umwandlung von Industrie- zu Informationsgesellschaft eindeutig verstärken. Interessanterweise wird unsere nächste Gesellschaftsform ja auch nicht "Entertainmentgesellschaft" genannt, sondern es soll die Information im Mittelpunkt stehen. Diese Entwicklung bedeutet für alle neuen Medien- und Kunstformen, dass die Informationsvermittlung ein zentraler Bestandteil sein muss, um das Interesse der zukünftigen Generationen zu wecken. Flache Botschaften und weichgespülte, massentaugliche Meinungen, die einer Energie- und Gefühlsvermittlung untergeordnet sind, haben in der Zukunft keinen Platz. Der Künstler muss wieder Stellung beziehen, Wissen vermitteln, soziale und gesellschaftliche Aussagen treffen.

Live Cinema ist hierfür als geeignet anzusehen, da es zwar weiterhin - wie später festgestellt wird - mit den Mitteln des Kinos auf Gefühle setzt und mit den Mitteln der VJ-Performance Energie erzeugt, jedoch durch seinen Status als unabhängiges neues Medium die erzählten Geschichten mit einer sozialen Relevanz ausstatten kann und muss. Oder wie es Paul D Miller in seinem Buch "rhythm science" so schön schreibt (p. 77):

"Sometimes the best way to get an idea across is to simply tell it as a story."


nicht genutzt------------------

"Nach wie vor bietet Popmusik für Aufwachsende die erste Gelegenheit, die von außen verordneten Erziehunginstanzen, zum Beispiel Eltern oder Lehrer, grundlegend in Frage zu stellen und so eine Entscheidungsstruktur herauszubilden, welche die fatale Abfolge von Birth, School, Work, Death durchbrechen könnte." Christoph Gurk in Spex (10/95) S 42.

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