Historische Einleitung

From Live Cinema Research

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Über zweitausend Jahre versuchten die Menschen eine tiefere Verbindung zwischen Musik und Bild zu finden. Von den theoretischen Ansätzen einer Farb-Musik der Griechen 350 v. Chr. über deren weitere philosophische Untersuchung durch Athanasius Kircher um 1646, die physikalische Aufarbeitung durch Isaac Newton 1704, die ersten praktischen Versuche von Loius Bertrand Castel 1743 und Bainbridge Bishop 1875 und den abschliessenden Farb-Musik-Kongress 1936 können die reinen Farbzuweisungen eindeutig nicht als alleiniges Merkmal für das unterbewusste Sehen von Musik gelten - was auch schon Rousseau und Goethe im 18. Jahrhundert bestätigten. Wie unterschiedlich diese und weitere Ansätze dieser Untersuchung sind, zeigt eine Tabelle, die jeden der Versuche auflistet und gegeneinander stellt. Aus dieser Tabelle wird klar: die eindeutige Zuordnung ist ein Mythos. Obwohl viele der Künstler und Wissenschaftler mit den gleichen Grundsteinen anfingen, die sie bei Isaac Newton und Loius Bertrand Castel fanden, weichen alle so stark voneinander ab, dass sich nicht einmal bei drei Noten - C E und A# - eine eventuelle Gemeinsamkeit erkennen läßt. Die physikalisch-mathematischen Grundlagen wurden bei den meisten Theorien durch innere Gefühle widerlegt, was selbst bei den Zuordnungen zu sehen ist. Sie lehnen sich stark an Isaac Newtons Theorien. Zum Beispiel stellte Scriabin fest, dass er sich bei "einzelnen" Noten mit den Musiker Kollegen, mit denen er im Dialog über seine Theorien stand, mit der Zuordnung nicht auf eine Farbe einigen konnte. Er befand, dass es stark von der Prägung des Einzelnen abhing, ob ein C nun Grün oder Blau gesehen wurde. Er selbst konnte sogar ausmachen, dass seine Zuordnung auf ein Erlebnis "von Glocken einer Kirche auf einer grünen Wiese" in seiner Kindheit zurückging. So ist diese individuelle Prägung wohl mitverantwortlich für die unterschiedlichsten Auffassungen von Farb-Musik-Zuordnungen durch die Geschichte hinweg. Viele wichtige Forscher und Künstler haben trotz ihrer Leidenschaft für die Farbmusik immer wieder klar gemacht, dass es keine eindeutige Zuordnung von Ton zu Farbe geben kann. Einige der Pioniere waren Anfangs enthusiastisch und dachten sie hätten etwas Bahnbrechendes entdeckt. Jedoch mussten die meisten später einsehen, dass die Zuordnung, welche sie für eindeutig erklärt hatten, in einem größerem Testrahmen nicht standhielt. So hatte Newton auch schon in seinem später noch oft als "Beweis" rezitierten Bericht geschrieben, dass sich das Verstehen eines Zusammenhang zwischen Musik und Farbe nicht beweisen lässt. Auch wenn rein physikalisch gesehen beides aus einem Wellenspektrum besteht. Thomas Wilfred ging sogar soweit zu behaupten, dass die Lichtkunst allein steht als Kunst bzw. nur ein Zusatz zu Musik sein kann und diese nicht ersetzt oder mit ihr auf einer Stufe stehen kann. Einige neuere Forschung versucht, die Fehler in der Farb-Musik-Theorie zu berücksichtigen und andere Eigenschaften von Musik und Farbe zuzuordnen.


1986 geht der Designer, Typograph und Künstler Karl Gerstner in seinem Buch "Die Formen der Farbe" einen bis dahin weitgehend unbeachteten Ansatz nach:

"Wir sind daran gewöhnt, das Dunkel-farbene als Tief-tönendes zu sehen, das Licht als Hohes.(...) Und dunkle und helle Farben haben tatsächlich einen Effekt, welcher vergleichbar ist mit tiefen und hohen musikalischen Noten. Dunkle Farben sind volltönend, kraftvoll, gewaltig wie tiefe Töne. Aber helle Farben, wie die der Impressionisten, sind, wenn sie allein ein ganzes Werk ausmachen, wie die Magie hoher Stimmen: fließend, leicht, jung, sorglos und wahrscheinlich auch kühl."


Also sollen tiefe Töne dunkle Farben und hohe Töne helle Farben erzeugen. Im Gegensatz zu den "alten" Theorien wird also nur die Helligkeit als Farbveränderung genommen. Desweiteren stellt er fest:


"Als eine Regel gilt, reine fluoreszierende Farben sind laut. Stille, das heißt, gebrochene Farben, mit einem hohen Anteil von Schwarz und Weiß, sind sanft. Man kann auch sagen, es gibt eine Parallele zwischen Lautstärke und Farbreinheit."


Je intensiver eine Farbe ist, desto lauter soll der Ton sein. Warum aber die Helligkeit nicht abhängig von der Lautstärke ist, oder die Farbintensität von der Tonhöhe, bleibt er dem Leser schuldig und widerlegt damit selbst seine eindeutigen Theorien und schließt sich damit der reinen Farbwert-Zuordnung an.

Durch die Erforschung von Rhythmik, Kontrast und Form im Zusammenhang mit Bildmusik bei Vladimir Kandinsky´s Werken, den ersten abstrakten Filmen von Hans Richter und den experimentellen Clavilux Gerät von Thomas Wilfred kam eine weitere Dimension in dieser Kunst hinzu. Dieser Aspekt war zunächst erfolgversprechend und auch einer der einzigen nachweisbaren Effekte bei echten Synästhesie-Patienten.

"Karowski und Odbert (1938) entdeckten eine systematische Beziehung zwischen den Formen der synästhetischen visuellen Form und dem Tempo der Musik. Je schneller die Musik, desto spitzer und eckiger wird das optische Bild." --Lawrence E. Marks, The Unity of the Senses 1978

Aber auch hier ist die Magie noch nicht entzaubert. Die unendlich Formen und rhythmischen Gebilde sind für eine Zeit recht nett anzuschauen. Schnell werden sie aber langweilig und sobald man ein Konzept oder ein zugrunde liegendes System entdeckt, wird das Resultat vorhersagbar. Ähnlich ergeht es der physikalisch und elektrisch sichtbar gemachten Musik. Das Oszilloscop, zuerst benutzt von Marry Ellen-Bute, und dann mit Videosynthesizern wie zum Beispiel Bill Hearns Vidium weiterentwickelt und mit heutiger "generativer Software" verfeinert, besitzt die Fähigkeit, in die sinusförmigen Kurven der Musik einen Einblick zu gewähren. Das Bild, das sie liefern, ist sowohl als eine Erweiterung der Rhythmik-, Kontrast- und Form-Theorie als auch der Farb-Musik zu sehen. Es ist immer eine "perfekte" Übersetzung und darin liegt auch die Schwäche - ein modernes Technolied hat immer ein ähnliches Grundgefühl wie ein Minnesang des Mittelalters - lediglich "zappelt" das Bild weniger - aber sieht immer ähnlich aus. Dies ist sehr gut in den Visualisierungserweiterungen der heute gängigen Musikabspielprogamme zu beobachten. Auch wenn die Linien und Formen sich zu verschiedener Musik anders bewegen, verschiedene Geschwindigkeiten aufweisen, weniger oder stark gezackt sind und die Farben ebenfalls fundamental differieren, so fällt das Konstrukt spätestens dann zusammen, wenn man zwei grundsätzlich verschiedene Musikrichtungen hintereinander betrachtet. Das Gefühl scheint nicht zu stimmen - man kann die Bilder nicht mehr so recht der Musik zuordnen - irgendwie tief im Inneren ist im Gegensatz zur differenzierten Musik der optische Eindruck zu homogen, viel besser als alle vorherigen Ansätze doch immer noch nicht der heilige Gral. Die Pioniere Walter Ruttmann, Oskar Fischinger und Nam June Paik legen zu den oben genannten Theorien noch die Ebene "Bildinhalt" und - wie später auch Peter Rubin - zum Teil auch die Narrative- bzw. Informations-Vermittlung dazu. Betrachtet man einige Werke dieser Künstler, bekommt die Musik selbst auf einmal eine ganz neue Dimension - sie erzählt, leidet, tanzt - die Bilder selbst stehen durch die Musik in einem eigenen Kontext. Keiner der Künstler hat aber jemals gesagt, "die Note C muss ein Baum, A ein Haus sein", sondern sind in ihrer Interpretation frei und die Inhalte sind so divers wie Musik divers sein kann. So gibt es - nach allen Bestrebungen, eine mathematische Formel zu finden oder eine Universallösung, wonach Farben, Formen bzw. Licht im generellen Sinne zu Musik, Notationen oder Tönen im Ganzen zugeordnet werden können - eine Auffassung, die wohl am besten dazu geeignet ist, die immer fortwährende Suche zu erklären. Jedoch ist dies keine definitive Lösung. Nichts, woran man sich festhalten kann. Es ist die Lösung der Kunst, ein immer fortwährendes spannendes Finden von Harmonien und Emotionen.


J. W. v. Goethe schrieb in seiner "Theorie der Farben":

"Sie sind wie zwei Flüsse, die ihren Ursprung in ein und demselben Berg haben, aber nach und nach verfolgen sie ihren Weg unter vollkommen verschiedenen Bedingungen, in zwei vollständig verschiedenen Regionen, so dass während des gesamten Verlaufs der beiden keine zwei Punkte verglichen werden können."


Es scheint sich um ein höheres Gesetz zu handeln, nichts mathematisches, was beides auf einer ästhetischen Ebene zusammenbringt. Auch die physikalische Erklärung der Wellen ist unzureichend. Aber dennoch gibt es eine Verbindung, gibt es den Drang, die Bilder des Lichts mit den Tönen und Rhythmen der Musik in inneren Einklang zu bringen. Es scheint etwas zu sein, was jenseits synästhetischer Wahrnehmungen einiger Auserwählter liegt, etwas, das alle betrifft, jedoch niemand wirklich fassen kann, etwas was uns berührt, bewegt, motiviert und zu einer erfüllteren Sinnerfahrung bringt. Es ist etwas, was auch schon die Höhlenmaler, die in ihren mit Gesängen und Rhythmus gefüllten Höhlen vor 20.000 Geschichten aus ihrer Umgebung an die Wände malten, Plato und Aristoteles in ihren rauscherfüllten Orakeln und die Tanzenden in jenem Gebäude der East-India-Company 1897 im Unterbewusstsein erfuhren.

Nicht nur die Musik, die das Bild beeinflusst, sondern auch die Bilder, die Musik beeinflussen erzählen zusammen eine Geschichte der Gefühle.

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