ein Gedicht von Jewgeni Jewtuschenko
In Perlon- und Drakongefilden,
wo Wissenschaft zum Fetisch sank,
vernahm ich plötzlich einen milden,
unwiederholbar reinen Klang.
Ein Vogel hat ja keine Schwere
für einen Zweig: im Laub denn saß
und sang, als obs Rußland wäre,
die Nachtigall Amerikas.
Ihr Sang schien Gram und Glück zu heischen;
da ließ ein Bube ohne Zucht
als Antwort eine Hupe kreischen
zwecks irdisch morgendlicher Wucht.
Zu Havard wars in Frühlingszeiten,
wo alles durcheinanderflog
im karussellgleich gellend-heitren
rauschhaften Nachexamensog.
Studenten sangen mit Gegröle,
und alles schien gemischt wie toll
im regenbogenem Cocktaile:
Studenten, Blumen, Vogelvolk.
Und stolz zersang, als ob sie´s rüge,
aus unserer Heimat herversetzt,
die Nachtigall hier all die Lüge,
all das geschäftige Geschwätz,
all dieses finstre Tun und Treiben
im Schwall des Fragebogenmeers
und all diese Haifischleiber
zum Einsatz des Raketenheers.
Und irgendwo in Rußlands Weiten
sang solch Wildfang, fein und klein,
festfroh das Schnäbelchen geweitet:
ihr russisches Blutsbrüderlein.
In Harvard, in Tambow, in allen
Bereichen bog die holde Last
fruchtgleich pflückreifer Nachtigallen
in jedem Garten Ast.
Es schwoll der Sang wie Schneesturms Wehen
von Kontinent zu Kontinent . . .
Sie alle können sich verstehen,
durch keinen fremden Laut getrennt.
Sie singen immer feiner, holder
in ihrer eintracht, scheu und schön . . .
Wir Menschen aber - wir grad sollten
einander dennoch nicht verstehn?!
Harvard(USA), 1961
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