Ich muss Euch leider etwas sagen. Ich bin etwas unzufrieden mit Euch.
Ich sage erstmal, woran es nicht liegt. Es ist vollkommen okay, dass Ihr Euch anzieht, als hätte Euch Stevie Wonder bei Humana eingekleidet. Gut, liebe Mädchen, die Hose in die Stiefel, das ist so Hanni & Nanni, da möchte man Euch Busgeld zum nächsten Reiterhof in die Hand drücken, aber auch darüber kann ich hinwegsehen.
Es ist ebenfalls nicht schlimm, liebe Jungs, dass Ihr tanzt wie damals, als Ihr in der Konfirmandengruppe den Begriff „Nächstenliebe“ pantomimisch darstellen solltet. Tanzen ist gut und wichtig und wer es nicht kann, der hat ja immer noch die unbeleuchteten Ecken der Tanzfläche, wo er seine grobmotorischen Schüttelkrämpfe ausleben kann.
Ich kann auch gut mit Eurem Trinkverhalten leben. Und das, obwohl ich immer wieder beobachten muss, dass Ihr widerwärtiges Zeug trinkt wie Wodka Red Bull oder das bekloppteste Getränk der Welt zu Euch nehmt, also alkoholfreies Bier, das nicht schmeckt und nicht wirkt, aber man muss trotzdem bezahlen und später auf’s Klo. Doch man ist ja tolerant geworden mit der Zeit, das ist also auch kein Problem.
Sogar mit den Dingen, die Ihr in den Clubs sagt, kann man inzwischen psychisch einigermassen zurecht kommen. Natürlich sind noch immer viele Unterhaltungen über Handymodelle dabei, wofür habt Ihr denn Euer Studium abgebrochen, wenn Ihr über die gleichen Themen redet wie 14jährige Hauptschüler? Ihr sprecht auch über das Fernsehprogramm, dabei gibt es derzeit nur eine einzige Sendung, die wirklich von Weltrelevanz ist, natürlich „Pimp My Ride“, alles andere ist epigonaler, unlustiger Dreck. Aber streiten wir uns nicht darüber, es geht schon irgendwie.
Mit einer Sache komme ich aber überhaupt nicht zurecht, ich habe mir oft und oft Mühe gegeben, aber es geht einfach nicht. Mit Eurer Coolness. Ich meine, habe nichts gegen Coolness, wirklich, einige meiner besten Freunde sind cool und ganz ehrlich, manchmal wäre ich sogar selbst gerne cool. Ihr versteht Coolness aber komplett falsch. Coolness ist nicht, allen anderen mit jedem Blick klarzumachen, dass sie scheisse sind. Sogar wenn es stimmt, was ja oft genug der Fall ist. Coolness ist übrigens auch nicht, bei den heissesten Beats maximal so ein bisschen mit dem Kopf zu nicken.
Das schlimmste aber, was ich mit der falschverstandenen Coolness meine, liebe Freunde der kleinen Nachtmusik, und das einzige, was mich wirklich stört, sind Eure Fressen. Nicht, dass Ihr hässlich seid oder so, man kann sich ja immer Celine Dion vorstellen und im Kontrast seid Ihr alle wunderhübsch. Nein, ich meine, dass Ihr nicht lächelt. So, jetzt ist es raus. Das nervt richtig. Ihr lächelt einfach viel zu selten! Praktisch nie. Dabei ist es supereinfach und macht Spass. Am tollsten ist es, wenn man jemand anderen grundlos anlächelt oder sich heimlich einen funky Grund ausdenkt. Dann lächelt die andere Person nämlich zurück, einfach so, und schon sind zwei Menschen ein bisschen froher. Das hört sich ein bisschen an wie in der Bibelstunde, wenn der Pfarrer sagt „Und jetzt nehmen sich die Gabi und der Andreas in den Arm“, aber es stimmt. Ausprobieren, sage ich, und das nächste Mal den ganzen Abend lächeln. Die Mädchen sowieso, und die Jungs auch, keine Angst, man wird nicht automatisch für schwul gehalten. Und wenn doch, ist auch nicht so schlimm. Also lächeln, den ganzen Abend, bitte, das nächste Mal. Ich komme vorbei und kontrolliere das und für das schönste Lächeln gebe ich einen leckeren Drink aus oder auch fünf. Wenn jetzt einer kommt und sagt „Aber hey, mir geht es scheisse, warum soll ich dann lächeln?“, dann sage ich „Es ist okay, wenn es Dir scheisse geht, aber dann löte Dich bitte zu Hause alleine zu, höre Sade und iss ein Hägen-Dasz Cookies & Cream, wie die anderen Kinder das tun, aber hänge Deine schlechtgelaunte Hackfresse nicht über die Tanzfläche“. Ja, so ist das jetzt in Berlin, der Neue Lächelfaschismus, und glaubt mir: irgendwann findet Ihr das auch toll.
von
Sascha Lobo
via ProfiLackTisch newsletter